Dokument einer Vaterbeziehung

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Joe Fiorito zeichnet das intensive Porträt einer italienischen Einwandererfamilie in Kanada.

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Joe Fiorito zeichnet das intensive Porträt einer italienischen Einwandererfamilie in Kanada.

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Dusty Fiorito liegt im Sterben. Sohn Joe verbringt die letzten Nächte an seinem Bett, um noch einmal die alten Geschichten zu hören. "Die Stimmen meines Vaters" ist eine Sammlung von Geschichten aus Dustys Jugend, aus Joes Kindheit, das Porträt einer italienischen Einwandererfamilie. Der kanadische Autor entführt den Leser auf eine Reise durch die Zeit. Erzählt wird, was Dusty erzählen will. Obwohl Joe alles schon etliche Male gehört hat, lauscht er jede Nacht aufmerksam, und der Leser mit ihm.

Die Zerbrechlichkeit des Vaters nach dem jahrelangen Kampf gegen den Krebs steht im krassen Gegensatz zum vitalen Menschen aus Joes Kindheit. Einfühlsam schildert der Autor die Familiengeschichten, sich erinnernd fügt er die seiner Kindheit hinzu. So entsteht das Porträt eines Menschen, der sich von allen Widrigkeiten des Lebens, dem schlechtbezahlten Job, der schweren Kindheit, den Vorurteilen gegenüber den italienischen Einwanderern nicht unterkriegen lassen will. Leidenschaft und Lebensfreude läßt er sich nicht nehmen. Sei es auch nur als Star einer kleinen Tanzkapelle in der Provinz.

Er war kein guter Vater. Der Job als Briefträger zermürbte ihn, Alkohol war oft der einzige Trost, Schläge gab es genug. Trotzdem liebt Joe seinen Vater, und er liebt es, nachts mit ihm auf der Veranda zu sitzen und die Geschichten über die Familie zu hören. Vater und Sohn sind sich ihrer Wurzeln bewußt, der Familienstolz ist nicht nur ein Strohhalm, an den sie sich klammern. Er stellt gleichzeitig den Urgrund ihrer Art zu leben dar. Denn die Männer der Familie Fiorito sind alle vom selben Schlag, Säufer und Schürzenjäger an der Oberfläche, verletzlich unter dem Panzer ihrer Männlichkeit.

Im Vordergrund steht die Beziehung zwischen Vater und Sohn, jede Erzählung ist ein weiterer Beitrag zur Komplexität ihrer Gefühle.

Durch seine klare Prosa und seine ungeschminkte, intensive Darstellung erreicht der Autor so etwas wie Verständnis für die Lebensart des anderen. Die Erzählungen bergen eine Magie, die den Leser fesselt und alles unwirklich und weit entfernt erscheinen läßt. Das Ende ist programmiert, Dusty stirbt an seinem Krebs. Aber seine Geschichten werden weiterleben, sie werden nicht nur in der Familie bleiben, sondern jeden bezaubern, der sich auf sie einläßt. Sie werden Zeugnis ablegen von einer Familie, die trotz ihrer Armut nie ihren Lebenswillen aufgab, oder aufgeben konnte. Das Buch erzählt von Verständnis und Toleranz, einer leidenschaftlichen Freude am Leben und einer Vater-Sohn-Beziehung, die in ihrer Kompliziertheit völlig normal ist. Das alles wird von Joe Fiorito mit viel Gefühl, behutsam, aber auch mit einer großen Selbstverständlichkeit beschrieben.

Die Stimmen meines Vaters. Roman von Joe Fiorito Alexander Fest Verlag, Berlin 2000. 374 Seiten, geb., öS 321,-/e 23,33

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