Dom Clemente ist kein Feigling

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Clemente José Carlos Isnard, 93, beging dieser Tage sein 50-jähriges Bischofsjubiläum. Der Altbischof von Novo Friburgo bei Rio de Janeiro ist eine der großen Gestalten der nachkonziliaren Kirche Brasiliens. Und er nimmt sich seiner Kirche gegenüber kein Blatt vor den Mund.

Fünfzig Jahre sind eine lange Zeit. Und ein überaus seltenes Jubiläum, wenn es sich um eine Aufgabe handelt, die man erst in reiferem Alter übernimmt. Dass Clemente José Carlos Isnard am 25. Juli sein Goldenes Bischofsjubiläum begehen konnte, war daher etwas Außergewöhnliches. Auf der Webseite der Brasilianischen Bischofskonferenz wird Dom Clemente, wie er im Land genannt wird, als „einer der ganz Großen auf dem Gebiet der liturgischen Erneuerung beim und nach dem 2. Vatikanischen Konzil“ gewürdigt.

Solch herzliche Kirchenworte waren keineswegs selbstverständlich, machte sich der heute 93-jährige Jubilar, der älteste Benediktiner und der älteste Bischof Brasiliens, an der Kirchenspitze keine Freunde mit seinen Äußerungen in Buchform aus 2008, in denen er einige heiße Eisen der Kirchenreform anpackte – Bischofsernennungen, Zölibat und Frauenweihe. „Wäre es nicht besser, den verdienten Ruhestand zu nutzen, anstatt die Lorbeeren der Vergangenheit aufs Spiel zu setzen?“, fragt der alte Bischof in seinem Büchlein. Aber: „Würde ich mich jetzt für meine Ruhe, für mein Alter in Ehre und Hochachtung entscheiden, ich würde meine Berufung verleugnen […] Ich wäre ein Feigling.“

Zeuge der kirchlichen Umbrüche

Dom Clemente war Konzilsvater beim II. Vatikanum (1962–65) – er ist also einer der Zeugen der Umbrüche, die durch das Jahrhundertereignis in der katholischen Kirche Platz griffen. Und dieser Bischof schweigt nicht darüber, dass vieles seither nicht weitergedacht und -getan wurde.

Isnard studierte zunächst Rechtswissenschaft und trat danach ins Benediktinerkloster von Rio de Janeiro ein, wo er 1942 zum Priester geweiht wurde. 1960 ernannte ihn Johannes XXIII. zum ersten Bischof der Diözese Novo Friburgo. 1994, mit Erreichen der Altersgrenze von 75 Jahren, legte er die Leitung der Diözese nieder und ging ins Nachbarbistum Duque de Caixas, wo er noch bis 2004 als Generalvikar tätig war. Er engagierte sich auf dem Konzil und in Brasilien an vorderer Stelle für die liturgische Erneuerung, er war Vizepräsident der brasilianischen sowie der lateinamerikanischen Bischofskonferenz CELAM. Auch an den für den Kontinent bahnbrechenden Bischofstreffen in Medellín (1968) und Puebla (1978) nahm er teil. Auch wenn sein Name hierzulande wenig bekannt ist, gehört er – neben den Kardinälen Aloisio Lorscheider (1924–2007), Paulo Evaristo Arns (*1921) oder Bischof Ivo Lorscheiter (1927–2007) – zu den „herausragenden Köpfen des brasilianischen Episkopats seiner Generation“. So charakterisiert ihn der Jesuit Andreas Batlogg, Chefredakteur der Stimmen der Zeit, auf der Webseite der Münchner Zeitschrift.

Bischöfliches Vordenken

Nur wenige Seiten hat das Büchlein, mit dem Dom Clemente 2008 aufhorchen ließ: „Reflexões de um Bispo sobre as instituições eclesiásticas atuais“ lautet der portugiesische Titel der Überlegungen, die der Altbischof von Novo Friburgo anstellt. Das Büchlein konnte in keinem katholischen Verlag erscheinen. Und weil er als Ordensmann die Genehmigung seiner Oberen brauchte, „schenkte“ Dom Clemente die Zeilen einem befreundeten Theologen, der sie dann herausbringen konnte.

Was Dom Clemente zu sagen hat, ist eigentlich alles andere als sensationell – bloß Bischöfe verkneifen sich solche Meinungen immer noch viel zu oft (oder müssen sie verkneifen). Zusammen mit seinem Lebenszeugnis und der ebenso schlichten wie kraftvollen Sprache erweist sich das Büchlein als bischöfliches Vordenken, das man sich noch viel öfter zu lesen wünscht.

„Die Ernennung der Bischöfe mit Beteiligung der Gläubigen, ohne päpstliche Geheimhaltung, die kirchenpolitische Seilschaften verbirgt […]; die Gewährleistung für die Priester, die keine Berufung zum Zölibat haben, dass sie ihr Priestertum das ganze Leben lang ausüben können; eine vollständige Öffnung für die Frau, damit sie ihren Platz in der Kirche einnehmen kann […];die apostolische Nachfolge, die jedem Bischof die authentische Vollmacht als Nachfolger der Apostel gibt und nicht nur die Möglichkeit, in violetten Pontifikalien zu zelebrieren.“

So fasst Dom Clemente seine Vorschläge zusammen und weist darauf hin, dass diese sich auf „disziplinarische“ Punkte beziehen, die aber „lebenswichtig für die Kirche“ seien.

In Europa wie in Lateinamerika

Ludwig Wuchse, steirischer Diakon und pensionierter Fachinspektor für den Religionsunterricht, hat Dom Clementes Büchlein 2008 in die Hände bekommen und war gefesselt von diesen klaren Worten eines Bischofs. Wuchse hat es (mit)übersetzt und auf Deutsch im Kleinverlag „Edition Neue Wege“ unter dem Titel „Gedanken eines Bischofs zu den heutigen kirchlichen Institutionen“ herausgebracht. 2009 ist er dann nach Brasilien gefahren, um den Autor kennenzulernen – und ist von der prophetischen Bischofsgestalt beeindruckt zurückgekehrt. Es ist Wuchse ein Anliegen zu zeigen, dass die Fragen, die europäische Katholiken bewegen, auch in Lateinamerika brennend sind – und von denen, die nicht schweigen, ähnlich diskutiert werden wie im Norden.

Er sei überzeugt, dass jeder Katholik die Pflicht hat, etwas für die Verbesserung der Kirche zu tun, schreibt Dom Clemente im Nachwort. Und schließt: „Ich habe meine Pflicht erfüllt.“

Gedanken eines Bischofs zu den heutigen kirchlichen Institutionen

Von Clemente José Carlos Isnard. Edition Neue Wege 2009. 62 Seiten, kt., e 6,– www.edition-weinviertel.at

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