Ein Tausendguldenschuß

19451960198020002020

Nestroys "Der Färber und sein Zwillingsbruder" am Burgtheater wird ein Publikumsmagnet.

19451960198020002020

Nestroys "Der Färber und sein Zwillingsbruder" am Burgtheater wird ein Publikumsmagnet.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Regel kennt natürlich viele Ausnahmen, aber häufig trifft sie zu: Schauspieler sind nicht nur oft die besseren Dramatiker, sondern auch oft die besseren Regisseure. Immer wieder zeigen gewisse Regieberserker, wie man bewährte Werke in Grund und Boden inszenieren und ebenso unkenntlich wie uninteressant gestalten kann. Hingegen holte Karlheinz Hackl wie bei seinem Josefstadt-Erfolg mit Raimunds "Der Verschwender" nun auch mit Nestroys "Der Färber und sein Zwillingsbruder" am Burgtheater nahezu das Maximum aus einem Biedermeier-Stück heraus: sowohl dem Original nahe als auch zeitgemäß, einerseits mit vielen unterhaltsamen Einfällen, anderseits mit dem nötigen Tiefgang.

Die Handlung ist ebenso einfach wie genial: Der bieder-schüchterne Färbermeister Kilian Blau, dem gerade mit Mühe die Verlobung mit der naiv-unschuldigen Roserl gelungen ist, schlüpft in die Rolle seines Zwillingsbruders Hermann, eines draufgängerischen Grenzgendarmen, den Liebesabenteuer und die damit verbundene Abwesenheit von der Truppe den Kopf, zumindest aber Rang und Ehre zu kosten drohen. Was sich Kilian damit aufhalst - Lebensgefahr in militärischen Scharmützeln, aber auch als Folge einer Liaison Hermanns mit einer Aristokratin, deren Bruder auf Rache sinnt -, kann er anfangs nicht ahnen. Nur die gerade noch rechtzeitige Rückkehr des Bruders lässt ihn mit heiler Haut davonkommen, aber er und Roserl sind nicht mehr die gleichen wie am Anfang. Hackls Inszenierung liefert kein happy end, sondern lässt offen, ob die beiden wieder zusammenfinden.

Schon der Beginn wurde vom Premierenpublikum bejubelt. Ausstatter Ezio Toffolutti fand dafür - wie für die anderen Szenen - den richtigen Hintergrund: eine Berglandschaft a la Karawanken oder Karnische Alpen. Dort klingt das aktuelle Thema Ausländerfeindlichkeit an, wenn die Grenzgendarmen über "Tschuschen" und Schmuggler herziehen. Später weckt das Wort "Präambel" bei Unterzeichnung eines Ehekontraktes aktuelle Assoziationen. Vor allem aber geht es um die Gemeinsamkeiten von Krieg und Ehestand, Nestroys Skepsis gegenüber der Haltbarkeit von Liebesbeziehungen und die Wahl zwischen einem aufregenden, gefährlichen und einem harmonischen, faden Leben. Wesentlich zum Erfolg tragen die Rap und Italo-Western einbeziehende Musik Otmar Kleins und die Zusatzstrophen Robert Meyers, die sich kritisch mit einem "Hump-Dump"-Politiker und einer möglichen Volksbefragung befassen, bei.

Für die Doppel-Hauptrolle erweist sich Nicholas Ofczarek als der richtige Mann. Er stellt zunächst gekonnt zwei gegensätzliche Figuren auf die Bühne, die einander jedoch, so will es sichtlich die Regie, ähnlich werden. Birgit Minichmayr gewinnt als Roserl erst spät, aber dann umso mehr Konturen. Etwas einfacher hat es Franz J. Csencsits als duellwütiger Herr von Löwenschlucht, der sich sprachlich an Frank Stronach orientiert.

Auch die übrigen Rollen, vor allem die nach Hermann schmachtende Cordelia (Maresa Hörbiger), der intrigante Bediente Peter (Robert Meyer), der Grenzgendarm Sturm (Juergen Maurer) und ein - hier schwul angelegter - Präsident (Peter Matic) sind in einem starken Ensemble fast durchwegs in den allerbesten Händen. Der lebhafte Premierenbeifall kündete an, dass diese Inszenierung sicher zu einem Renner wird.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung