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Benbellas zwei Jahre

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Algeriens sorgenbeladener Staatschef Ahmed Benbella stand im Weinfeld, schmatzte eigenhändig gepflückte Beeren und schüttelte Feldarbeiterhände. Der Traubenacker gehörte zum horizontweiten Grundbesitz des einstigen ungekrönten Landeskönigs, des Franzosen Bor- geaud. Mit dessen Enteignung vor einem Jahr glaubte Benbellas Algerien dunkelste Kolonialausbeutung überwunden und mit dem Einsatz eines Arbeiterrats im ehemaligen privaten Großgrundreich den wichtigsten Schritt „zur Sonne und Freiheit” getan zu haben. Benbella suchte Erholung von vormittägiger Schwerarbeit und moralische Selbstbefriedigung. Der Feldbesuch am Jahrestag der algerischen Unabhängigkeit war durchaus keine Thea- tralik. Selbst seine Feinde geben zu: Benbella ist „honnėte”. Der Glaube des unscheinbaren Mannes im olivgrünen Drillich an sich selbst und seine „honnėttė” sind ebenso Wesensmerkmale benbellistischer Herrschaft über die nunmehr zwei Jahre alte algerische Republik wie der unversiegbare Haß seiner ehemaligen Kampfgenossen.

Diese hatten sich ausgerechnet zum Staatsgeburtstag so ziemlich vollzählig — nach jahrelangen Einzelaktionen — gegen Benbellas Regime vereint. Khider und Boudiaf riefen das algerische Volk von Paris aus zum bewaffneten Widerstand auf. Ait Ahmed befindet sich schon seit Monaten im inneralgerischen Untergrund. Khiders militärischer Verbündeter, der vor kurzem amtsenthobene Chef des Saharawehrbezirks Chabani, schloß sich Ait Ahmeds Kleinkrieg gegen die loyalen Ordnungskräfte an. Die ehemals führenden algerischen Exilpolitiker Krim Belkassem und Fer- hat Abbas lauern still auf den Ausgang der neuen Machtprobe. Der letzte der „großen Namen” schließlich, Rabah Bitat, ist kürzlich vorsorglich aus Algier verschwunden. Das generelle Komplott der ausgebooteten Exrevolutionäre verhinderte die vorgesehene Geburtstagsparade vor Tribünen mit Auslandsgästen. Diese waren in letzter Minute ausgeladen, zum Vorbeimarsch gedrillte Volksarmisten in Guerillagebiete abtransportiert worden. Statt zu triumphieren mußte Benbella am Festvormittag selbst populäre Kampfstimmung erzeugen.

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