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Musiknotizen

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Ein Musikfest ganz besonderer Art ist der Internationale Orgel - Improvisations- Concours, der heuer wieder im Juli in Haarlem (Holland) stattfand. Organisten aus verschiedenen Ländern trafen einander dort zu friedlichem Wettstreit und improvisierten auf der berühmtesten Orgel Hollands, der prächtigen Christian-Müller-Orgel, in der St.-Bavo-Kirche in Haarlem, die seit jeher ein besonderer Anziehungspunkt für alle Musikliebhaber war (so schreibt Zelter an Goethe am 4. Oktober 1823 u. a.: „Die Haarlemer Orgel ist in der Tat. wenn nicht das größte, doch das schönste Werk, das ich vernommen und gesehn habe... Ich werde zeitlebens an diese glückliche Stunde zu denken haben, denn das war der wesentliche Zweck meiner Reise nach Holland, das sonst kein Aufenthalt für mich ist.”) Der erste Preis fiel an Piet Kee (Holland), der zweite an Dr. Hans Hasel- b ö c k. Organist der Dominikanerkirche in Wien, der dritte an Heinz Orlinsky (Deutschland).

Nach der Aufführung der Oper von Hans Werner Henze „Boulevard Solitude" in Rom wurden in vielen deutschen Zeitungen Besprechungen veröffentlicht mit Ueberschriften, wie „Henze durchgefallen", „Boulevard Solitude ausgepfiffen" usw. Diese Urteile entsprechen nicht ganz den Tatsachen. Die Demonstration in Rom war eine wohlorganisierte Opposition der römischen Opernabonnenten, hatte zum Teil politische Hintergründe (Rauschgiftprozeß und Neofaschismus) und betraf nicht Henzes Werk, sondern überhaupt den Versuch, die alten Spielpläne durch moderne Werke zu erneuern. Das organisierte Trillerpfeifenkonzert begann bereits mit dem Anfang des Vorspiels. Die einsichtigen künstlerischen Kreise brachten dem Werk bei der 2. und 3. Aufführung einen demonstrativen Beifall. Igor Strawinsky, dem man den Zutritt zur Premiere verweigerte, schrieb nach Besuch der zweiten Aufführung: „Trotz der unverständlichen Haltung eines Teiles des Publikums fand ich die Auffüh rung von Henzes .Boulevard Solitude' sehr eindrucksvoll und voller Talent." Und ;,T i- moignage Chretien" schreibt: Hier ist es wieder einmal die alte Geschichte der Genialschöpfung, die die Zeitgenossen im Namen der unantastbaren Tradition zurückweisen. Wie der getanzte Lebensausdruck sich mit dem Gesangsausdruck zusammen zu einer packenden Gesamtheit bildet, bleibt hier das Geheimnis des Genies von Henze.

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