6647845-1958_35_02.jpg
Digital In Arbeit

STEINE AUF EIN GRAB

Werbung
Werbung
Werbung

Das Grab, das die sterbliche Hülle des Wiener Gemeinderats und ehemaligen Oberstleutnants Julius Schlegel birgt, ist taoch frisch. Viele Kränze bedecken es. Da fliegen einige Steine gegen den stillen Hügel. Sie kommen aus München. Von der dort erscheinenden Zeitschrift „Die Kultur“ (15. August 1958), die als Sprachrohr linksliberaler deutscher Intellektueller gilt.

In -einer durchaus berechtigten ablehnenden Stellungnahme zu dem Film „Die grünen Teufel von Monte Cassino“ („Die Furche“ hat bekanntlich auch nicht mit ihrer* geringen Meinung über diesen Zelluloidstreifen hinter dem Berg gehalten) hat der Schreiber, der seinen Namen hinter der Chiffre D. G. verbirgt, den traurigen Mut zu einem posthumen Rufmord an Julius Schlegel.

„... Eines Tages erfuhr das deutsche Oberkommando des Heeres in Italien, daß sich ein Oberstleutnant Schlegel mit den Kunstschätzen von Monte Cassino und etlichen Lastwagen in Richtung Heimat begeben und Rom schon lange hinter sich gelassen habe. Schlegel war auf dem Wege zu seinem Divisionspatron Hermann Göring. Flugs setzte ein Sonderbevollmächtigter des Militärbefehlshabers in Italien, Generalfeldmarschall Kesselring, dem Schlegel nach. Einige hundert Kilometer nördlich von Rom holte er ihn ein. In der Burg von Spoleto kam es zu einer erregten Auseinandersetzung. Schlegel, von dem Abgesandten Kesselrings zur Rede gestellt: .Denken Sie denn, wir werden die Kunstschätze den Pfaffen lassen? Der Dicke (Göring) hat doch im Jänner Geburtstag!'

Erst die Drohung mit einem Kriegsgerichtsverfahren, wegen des Verdachts auf Plünderung, konnte Schlegel zur Umkehr nach Rom und zui Abgabe der Kunstwerte im Vatikan bewegen.

Später schrieb sich Schlegel unverdrossen das Verdienst an der Rettung der Kunstwerte zu, wobei er sich gern auf das Mysterium berief, .sein erster Sohn toeifle mit Vornamen Bened;V Äerin litkt.'ei, “Julius“ •■Schlegel, &e Weisung Gottes gesehen, sich gerade der Benediktiner von Monte Cassino, der .Pfaffen' und ihrer Kunstschätze also, mit besonderer Sorgfalt anzunehmen ...“ ,

Julius Schlegel ist tot. Er kann diesen ehrenrührigen Behauptungen nicht entgegentreten. Die Leser unseres Blattes, in dem Schlegel bekanntlich vor sieben Jahren den nüchternen, gut dokumentierten Rechenschaftsbericht über sein Wagnis in Monte Cassino gab, erinnern sich vielleicht noch an die nicht unerwähnte Episode, wie Schlegel die Abgesandten Kesselrings, zu denen der verdächtige Zeuge anscheinend gehörte, abblitzen ließ. Das verpatzte Kriegsgericht haben sie ihm anscheinend über das Grab hinaus nicht vergessen. Wenn es nämlich so gewesen wäre, wie D. G. die Geschichte sieht, wie reimen sich darauf folgende Tatsachen:

1. Daß die Mönche von Monte Cassino Schlegel bei einem späteren Besuch mit großen Ehren und in Dankbarkeit empfingen?

2. Die Stadt Monte Cassino ihn zu ihrem Ehrenbürger machte?

3. Oberstleutnant a. D. Schlegel auf der Wiener italienischen Botschaft stets ein gern gesehener Gast war?

Etwas viel der Ehre für einen „Plünderer“!

Julius Schlegel ist tot. Tote sind wehrlos. So müssen wir den dunklen Gestalten, die um das Grab schleichen, die Steine aus der Hand schlagen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung