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Der letzte „Kampf“ um Monte Cassinp

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Die Wunden, die die Bomben und Granaten dem Berg geschlagen haben, sind verheilt.

Monte Cassino, im Februar-März 1944 durch die Alliierten zerstört, in den Jahren 1945—59 wieder einmal, wie schon häufig in seiner Geschichte, neu aufgebaut, steht wieder in altem Umfang und Stil.

Diesmal freilich, im zweiten Weltkrieg, ging es ums Ganze. Schon drohten mit den Mauern der Abtei auch die unersetzlichen Kunst- und Handschriftenbesitze Monte Cassinos vernichtet zu werden. Da faßte im Herbst 1943 angesichts der langsam heranrückenden Front der Abteilungs-Kommandeur in einer deutschen Panzerdivision, Oberstleutnant Julius Schlegel, ein gebürtiger Wiener, der erst vor einigen Jahren als Wiener Landtagsabgeordneter und Gemeirtderat verstorben ist, selbständig den Entschluß, mit dem Wagenpark seiner Division die Klosterschätze in die Engelsburg nach Rom abzusiedeln.

Julius Schlegel wußte genau: er riskierte Kopf und Kragen dabei. Im kritischesten Augenblick erfuhr sein unmittelbarer Vorgesetzter, der kürzlich in Deutschland ebenfalls verstorbene General v. Senger und Etter-lin davon und — deckte den Abteilungskommandeur. Damit war das Unternehmen Schlegel gerettet und fand nach seinem Abschluß in Rom die verdiente Anerkennung.

In aller Bescheidenheit, aber doch mit der echten Spannung, die in der Natur des Vorganges lag, hat Julius Schlegel in den Folgen 45 ff. der „Furche“ vom Jahre 1951 unter dem Titel „Mein Wagnis in Monte Cassino“ das Unternehmen • in ausführlichem Text, unterstützt durch über zwanzig einzigartige Originalphotos, unseren Lesern geschildert. Die Veröffentlichung erregte riesiges Aufsehen und ist seither in Nachdrucken und Auszügen um die halbe Welt gewandert.

Um so schmerzlicher war unsere Überraschung, als vor einiger Zeit ein

katholisches Bruderblatt in Deutschland („Konradsblatt“, Bistumsblatt der Erzdiözese Freiburg, 47. Jahrgang, Nr. 7 vom 17. 2. 1963) in einem zweiseitigen illustrierten Bericht anläßlich des Ablebens des oben angeführten Generals Senger unter dem Titel „Er rettete die Kunstschätze von Monte Cassino“ das alleinige Verdienst dem verstorbenen General v. Senger und Etterlin zuwies.

Darüber entspann sich in der Folgezeit eine ausführliche Korrespondenz zwischen der „Furche“ und dem deutschen Blatt, deren erfreuliches Ergebnis wir unseren Lesern nicht vorenthalten dürfen. In einem ausführlichen und freundlichen Schreiben und einer Richtigstellung in der Zeitung bekannte das „Konradsblatt“ freimütig, daß es nach gewissenhaften Erhebungen seine Darstellung nicht aufrechthalten könne und die seinerzeitige Veröffentlichung der „Furche“ vollinhaltlich anerkenne. Damit war der Streitfall in echt christlichem Geist beigelegt; auch das Verdienst General Sengers war damit nicht geschmälert.

Oberstleutnant Julius Schlegel war, wie schon der Fall Monte Cassino, aber auch sein übrige ganzes Leben bezeugt, ganz und gar nicht das, was man einen Kömißknopf nennt. Er war ein prächtiger Mensch, der viele Schicksalsschläge tapfer ertrug. So wurde er bei den Rückzugsgefechten nach Monte Cassino schwer verwundet und verlor ein Bein. Nach dem Kriege sperrte man ihn in der Heimat wegen seiner bloßen Zugehörigkeit zu jener Panzerdivision mit dem Unglücksnamen „Hermann Göring“ kurzerhand im Wiener Grauen Haus ein, aus dem ihn erst nach vielen Monaten der Gefangenenseelsorger herauslotste. Schlegel verlor bei allem seine Frömmigkeit, seine Güte und Menschenliebe nicht. Er würde sich, wie wir alle in der „Furche“ ihn gekannt haben, auch jetzt über die aufrechte Erledigung und Beendigung des jüngsten — hoffentlich letzten — „Kampfes um Monte Cassino“ freuen, so wie wir.

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