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DER MANN VON MONTE CASSINO

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Vom Wiener Rathaus wehen schwarze Fahnen. Sie geben Nachricht vom Tod des Gemeinderates Julius Schlegel. Der Gemeinderat Julius Schlegel? Wien und die Welt, vor allem aber die Leser der „Furche“, kennen den Mann, der von dieser Welt abberufen wurde, besser als Oberstleutnant a. D. Schlegel, dessen Namen mit der Rettung wertvoller Kunstschätze aus dem vom Krieg bedrohten Kloster Monte Cassino für alle Zeiten verbunden bleiben wird.

Vor genau sieben Jahren war es. Im Sommer 1951. Da meldete der Redaktionsdiener der „Furche“ einen Schwerkriegsbeschädigten Mann, der mit einem Herrn der Redaktion zu sprechen wünsche. Der bescheidene Besucher hielt mit seinem Anliegen nicht lange hinter dem Berg. Er verfüge über einiges Material, das uns vielleicht interessieren dürfte. Bilder wurden aus einer Aktentasche geholt, und dann erfuhren wjr als Erste die Geschichte von der Rettung der Kunstschätze aus Monte Cassino, als deren Initiator und Durchführer sich unser Besucher in 'aller Bescheidenheit vorstellte.

Warum er gerade zu uns gekommen sei und nicht die naheliegende, ausländische Devisen in großer Summe — man schrieb 1951! — bringende Veröffentlichung in einem ausländischen Blatt, in einem Magazin, in einer Illustrierten gar, suche? Auf diese unausgesprochene Frage antwortete der ehemalige Offizier selbst. Er wolle keine Sensation. Darum habe er auch solange geschwiegen. Nun sei es aber Zeit, die Wahrheit entgegen anderslautenden Gerüchten ein für allemal festzuhalten. Und dafür sei die „Furche“ eben das richtige Blatt.

Es brauchte nicht lange und wir waren uns einig. Am 3. November 1951 begann Julius Schlegel unter dem, Titel „Mein Wagnis in Monte Cassino“ mit der Veröffentlichung seiner Aufzeichnungen in unserem Blatt. Das weltweite Echo ließ nicht auf sich warten. Julius Schlegel bekam nicht nur späte Genugtuung.' Sein Name wurde als der des „Retters von Monte Cassino“ international bekannt. Die erste Regierungspartei eftrteJ; den Sohn“•'Wiens, • der senJer Heimat mitten in “einem 'tinseligen Krieg alle Ehre gemacht hatte, durch die Entsendung in den Gemeinderat der Bundeshauptstadt.

Der Sensation, die er nicht suchte, entkam er nicht: der Film holte ihn ein und rankte um seine wahre Mannestat eine Kitschballade nach dem Geschmack des “zeitgenössischen Publikums. Der Name Schlegel war ein zugkräftiger „Vorspann“. •

Nun tragen sie hinaus den Mann, dessen Schicksal Monte Cassino wurde. Nicht blutiger Ruhm, sondern eine Friedenstat verknüpfte den Namen Schlegel mit dieser Wiege abendländischer Frömmigkeit und Kultur. In den vor uns wiederaufgeschlagenen Aufzeichnungen Schlegels schildert er seinen ersten Besuch bei dem inzwischen auch verstorbenen Erzabt Diamare. „Ich komme in Frieden, so wie ich wünsche, daß er mir dereinst zuteil werden möge.“ ■ ' •

Er werde es.

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