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HÖHERER BEFEHL
Eine Artikelserie in der FURCHE im November/Dezember 1951 aus der Feder des Retters der Kunstschätze Monte Cassinos, Julius Schlegel, ist heute ein erstrangiges zeitgeschichtliches Dokument.
Eine Artikelserie in der FURCHE im November/Dezember 1951 aus der Feder des Retters der Kunstschätze Monte Cassinos, Julius Schlegel, ist heute ein erstrangiges zeitgeschichtliches Dokument.
Im Wertheimsteinpark im 19. Wiener Gemeindebezirk, in Döb-ling, steht die Büste eines bedeutenden, aber kaum mehr bekannten Österreichers, dem die Welt die Rettung von Kulturgütern unschätzbaren Wertes verdankt. Inmitten einer barbarischen Zeit, imnitten eines Weltkrieges, in dem sich die deutschen Aggressoren zunehmend auf Abwehr einrichten mußten, gelang es dem gebürtigen Döblinger Julius Schlegel, 1943 als Oberstleutnant Abteilungskommandeur in der „Panzer-Division Hermann Goring", mit einer gehörigen Portion „Zivilcourage", Glück, Zufallstreffern und Gottvertrauen die Schätze einer Wiege des christlichen Abendlandes, des Benediktinerursprungsklosters Monte Cassino zu retten.
Lange Zeit beherrschte die historische Diskussion die Frage über die Schuld an der Zerstörung der Benediktinerabtei, die am 15. Februar 1944 - also vor 50 Jahren - von der amerikanischen Fliegerstaffel „Red Devils" in Schutt und Asche gelegt wurde. Dank der FURCHE-Serie vom 3., 10., 17., 24. November und 1. Dezember 1951 mit einem Reaktionenanhang am 8. Dezember weiß die Welt, daß nicht - wie es im Herbst 1943 in einer Rundfunksendung der Alliierten hieß - deutsche Truppen Monte Cassino „plünderten’ , sondern eine der dramatischesten und für den Initiator gefährlichsten Kimstschätzerettungsaktio-nen im Laufen war.
Nach einer Lagebesprechung Anfang Oktober 1943 mit Generalleutnant Paul Conrad, wie und wo den auf dem Vormarsch befmdlichen Alliierten nach der Schlacht um Salerno und Neapel hinhaltender Widerstand geleistet werden sollte, war Schlegel klar, wo der Angelpunkt der ganzen Stellung war: „Noch klang mir die helle, befehlsgewohnte Stimme im Ohr, noch sah ich den Finger sich auf eine bestimmte Stelle der Karte stemmen, als wolle er sie durchbohren. Auf der Karte aber, gerade neben dem weisenden Finger des Chefs, stand Monte Cassino."
Ein Gewissenskampf setzt bei Schlegel, dem kunstsinnigen, gebildeten, gläubigen Menschen ein: „Eines der Kronjuwelen abendländischer Kultur war bedroht, und mich,
mich belud mein Gewissen mit der Verantwortung dafür! Mich! Warum gerade mich? Ich war Soldat, Offizier, ich hatte Befehle auszuführen und sonst nichts! Was hatten mich die Mönche, was fremdes Kirchengut zu kümmern!… Und dennoch: über alle Erwägungen hinweg, über alle Einwände des klügelnden Verstandes mahnte, rief, schrie es in mir, daß ich es nicht überhören konnte: Tu’s! Rette, was zu retten ist! Du weißt, was auf dem Spiele steht, du hast die Erkenntnis - du mußt handeln, jetzt, sofort!"
WIE EIN KEULENHIEB
Am 14. Oktober 1943 begann Schlegel - alles aOf eigene Faust -, vorsichtig die sich in Sicherheit wiegenden Mönche Monte Cassinos, allen voran den bereits achtzigjährigen Bischof und Erzabt Gregorius Diama-re, auf die drohende Gefahr aufmerksam zu machen. Dem Wehr-machtsoffizier schwang zunächst kein Vertrauen entgegen. Ein zufäl-hg in der Erzabtei anwesender deutscher Benediktiner, Pater Emanuel Munding von Beuron in Württem-
berg, leistete Schlegel „Schützenhilfe". Weitere Besuche waren notwendig, die Zeit drängte:
„Schon tags darauf war ich wieder im Kloster beim Abt", der zu bedenken gab, daß der Vatikan - auf dessen exterritorialen Boden Schlegel die Schätze Monte Cassinos zu transportieren sich angeboten hatte -nicht werde helfen können; offenbar hatte Erzabt Diamare schon diese Möglichkeit erwogen: „Wenn die Alliierten, erklärte ich, an irgendeinem Punkt mit ganz starken Kräften ansetzen oder in unserem Rücken eine Landung erzwängen, so könnte sich die Lage der deutschen Kräfte rasch derart verschlechtem, daß mit der Möglichkeit eines Rückzuges gerechnet werden müsse. Damit aber sei die Gefahr verbunden, daß das Kloster durch fernwirkende Waffen zu Schaden kommen könnte. So, da war es heraus, und es tat mir gleich hinterher leid, wenn es auch notwendig gewesen war. Den Abt traf es wie ein Keulenhieb; sein ehrwürdiges Haupt sank auf seine Bmst, sein Gesichtsausdmck verriet rührende und ratlose Angst."
„Als ich wieder nach Monte Cassino kam, hatte sich die Lage wesentlich verändert. Der Krieg war dem Kloster ein gutes Stück nähergerückt und der Abt hatte sich mit dem Konvent beraten. Bei der Unterredung fehlte Don Mauro, der Bibliothekar, imd keiner wollte Genaueres über seinen Verbleib wissen. Ich fragte auch nicht weiter, auch dann nicht, als ich in der Bibhothek die Vitrine mit den kostbaren Wie-gendmcken leer fand. Ich kombinierte und fand auch das Richtige, wie sich hinterher erwies. Der Abt zeigte sich ganz als der gütige, aufrichtige Mensch, der er war. Er bat mich, dem Kloster zu helfen, er wolle alles tun, mein Rettungswerk zu unterstützen."
Am selben Tag wurde noch ein von Schlegel zur Verfügung gestellter Lastwagen mit ersten Kunstschätzen beladen und nach Rom abkommandiert. Als die Bestätigung der ordnungsgemäßen Übergabe aus Rom in Monte Cassino eintraf, hatte Schlegel das Vertrauen des Erzabtes vollends gewonnen. Die gewaltige RettungsÄtion konnte Anfang November 1943 abgeschlossen werden.
Mit einer großen Portion Glück konnte Schlegel verhindern, daß seine Rettungstat als Aktion von Plünderern gesehen und er selbst festgenommen wurde. Seinem General konnte er schließlich, die Transporte nach Rom rollten längst, Mitteilung von der Bergung der Schätze machen, für die sich sogar schon der OB Süd, Feldmarschall Kesselring (der die Alhierten-Meldung bereits kannte), interessierte. Conrad stimmte nicht nur zu, sondern ordnete sogar die Fortsetzung der Arbeiten mit vermehrten Mitteln an; gleichzeitig vrarde auch mit der fotografisch-propagandistischen Erfassung der Rettung der Schätze Monte Cassinos durch die Wehrmacht begonnen.
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