6585669-1951_45_04.jpg
Digital In Arbeit

Ein Beuroner Pater greift ein

Werbung
Werbung
Werbung

Mir, der ich mit vollkommener Gewißheit wußte, daß die Abtei in einigen Wochen mitten im Kampfgebiet liegen werde, erschwerte diese Zuversicht des ehrwürdigen Greises meine Aufgabe um so mehr, als ich das militärische Geheimnis nicht preisgeben, nicht offen sprechen durfte. Ich mußte mich bemühen, ohne etwas Positives zu sagen, diese Zuversicht zu erschüttern. Ich tat es höchst ungern, aber es war der einzige Weg, der mich meinem Ziel näher brachte. Langsam also und immer noch mit möglichster Schonung tastete ich midi an meine schwierige Aufgabe heran. Einen unerwarteten Helfer fand ich dabei im Begleiter des Abtes, dem deutschen Benediktiner P. E m a n u e 1, der von seinem Stammkloster Beuron in Württemberg auf fünf Jahre nach Monte Cassino versetzt worden war. Trotz seiner reichlich 60 Jahre war er körperlich wie auch geistig ungemein beweglich, und hätte er von seinen Jahren 15 verleugnet, so hätte man es ihm leichter geglaubt als sein wirkliches Alter. An den Schläfen hatte er kaum ein graues Haar und auf seinem Scheitel schon gar nicht, denn der liebe Gott hatte dem guten Pater das Tonsurschneiden schon lange erspart.

Cassino sei wohl arg zerstört, begann ich, und auch auf der Straße, die auf den Klosterberg führt, seien die unteren Serpentinen mehrfach getroffen worden. P. Emanuel sekundierte, indem er darauf hinwies, daß bereits mehrmals unweit des Klosters kleinere Bomben gefallen seien. Doch der Abt war in seiner Sicherheit kaum zu erschüttern. Flieger, so meinte er, würden Monte Cassino niemals zerstören. Es schien fast, als hätte er sichere Zusagen von alliierter Seite.

Aber eine Zufallsbombe könne, wandte ich ein, abgesehen von Menschenleben, viele Kostbarkeiten vernichten.

Es seien nicht so viele Kostbarkeiten da, als ich vielleicht glaube, gab der Abt zurück. Es war offensichtlich, daß er mir mißtraute, und ich konnte es ihm schließlich nicht verübeln. Trotz aller Vorsicht und trotz allen Taktes — ich hatte nun einmal seinen Klosterfrieden gestört. Auch mag die gegnerische Propaganda in seinem Unterbewußtsein noch weitergewirkt haben.

Unserer Besprechung hatte sich Don Mauro zugesellt. Das war der Bibliothekar. Blond, scharfblickend, wendig. Mir wehte eine Kältewelle von ihm entgegen. Er witterte von mir Gefahr für seine kostbare Herde, sah als deren Hirt in mir den Bücherwolf im Schafspelz. So konnte er auch seinen inneren Zwiespalt nicht verbergen, als der Abt meiner Bitte, die Bibliothek besuchen zu dürfen, gütig Gewährung nickte. Doch an Gehorsam gewohnt, erhob er sich stumm.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung