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Ein unheilkündender Bote

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Ich war eines Vormittags wie immer mit meinen freiwilligen Helfern und meinen hingebungsvoll arbeitenden Landsern in voller Tätigkeit und gab eben, nahe dem Klostereingang stehend, Befehle und Weisungen, als ein Oberst eintrat. Da er meine Soldaten zusammen mit den Mönchen am Werk sah, verzögerte er seine Schritte und blieb unschlüssig stehen. Ich trat rasch auf ihn zu und meldete mich mit Namen und Truppenteil als mit dem Abtransport der Mönche und Schätze von Monte Cassino beschäftigt.

Ob ich dazu Befehl habe, war seine Frage.

„Jawohl“, erwiderte ich — entgegen der Wahrheit.

Ob an OB Süd (Feldmarschall Kesselring) Meldung durchgegangen sei?

Dies sei mir nicht bekannt.

Wer Wagen und Mannschaft stellte?

Die Division „Hermann Göring“.

Ob der Abt Hilfe erbeten habe?

Jawohl.

Ob ich Kunstsachverständiger sei?

Nein, doch liebe ich die Kunst, und das befähige mich, die nötige Sorgfalt bei Verpackung und Transport walten zu lassen. Auch sei nicht die Zeit, erst nach Sachverständigen zu suchen, denn ein Bombardement sei jeden Tag möglich.

Im gleichen Augenblick wurden — Rettung in höchster Gefahr! — Flieger hörbar, und kurz darauf fielen Bomben auf die Stadt Cassino.

Das änderte die Lage völlig.

»Ich bin nicht gekommen, hier zu inspizieren“, meinte der Oberst, „sondern wollte mir das Kloster mal ansehen.“

„Da kann ich mich als Cicerone' anbieten“, erwiderte ich. „Durch meine

Arbeit hier weiß ich in der Abtei gut Bescheid.“

Er nahm an, doch als ich ihn über den prächtigen Stiegenaufgang in die Kirche führte, tat er kaum zwei, drei Schritte hinein, machte kehrt, fand, er habe keine Zeit mehr, war kaum zu bewegen, einen Blick auf die herrlichen Fresken von Giordano zu werfen, dankte kurz, verabschiedete sich eilig. Und war fort.

Sonderbarl Da stimmte etwas nicht. Dringende Anordnungen unterbrachen meine Überlegungen, aber kaum frei, kehrte ich zu diesen wieder zurück. Was wollte der Oberst hier? Die nachträgliche Behauptung, er wolle das Kloster besichtigen, verdeckte nur schlecht seine eigentliche Absicht. Aber welche war diese?.Ein Verdacht begann in mir aufzusteigen. Sollte etwa —

Abermals griff eine höhere Gewalt ein und bestätigte mir bescheidenem Werkzeug, daß ich in der Rolle, die mir das Schicksal zugewiesen hatte, am richtigen Platz war.

Ich war noch in Gedanken, da knirschte ein Lastwagen im Sande vor dem Tor, Stiefelgetrappel, Gewehrklappern. Zwanzig Mann Feldgendarmerie unter Führung eines Offiziers stürmten ins Kloster. Ich trete ihnen entgegen:

.Was gibt's?“

„In Monte Cassino wird geplündert.“ „Wer sagt das?“

„Befehl vom OB Süd, Sachverhalt sofort feststellen, Plünderer festnehmen, Meldung zurückgeben.“

„Melden Sie, der Plünderer sei ich, doch sprechen Sie vorher mit den Mönchen.“

Das geschah, der Irrtum war im Nu aufgeklärt, der Offizier entschuldigte sich bei den Klosterinsassen und bei mir und zog mit seinen Leuten ab.

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