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DIE SACHE MIT DEM VORMUND

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Ich klopfte ein paarmal an die Tür, und als niemand antwortete, überwand ich meine Schüchternheit und betrat das Zimmer des Generals Schigalow. Seine Hochwohlgeboren saß an dem Tisch und legte Patience.

Als er mich erblickte, hob er die Hand und winkte mir gnädig zu. „Wer sind Sie, was wünschen Sie, was führt Sie zu mir, mein Lieber?“ fragte er und wies auf einen Sessel. „Ich... ich habe Sie noch nie gesehen, das heißt, ich erinnere mich jetzt, Sie sind von dem Regiment... Na, egal! Also zur Sache!“

„Ich komme in einer höchst wichtigen Angelegenheit zu Ihnen, Exzellenz“, stotterte ich, meinen Rock zuknöpfend. „Ich komme zu Ihnen in einer Sache privaten, nicht dienstlichen Charakters. Ich... ich bitte Sie um die Hand Ihrer Nichte Warwarja Maximowna.“

Der General wandte mir langsam sein Gesicht zu, betrachtete mich eine Weile aufmerksam und erstaunt, legte die Karten nieder und hüstelte energisch. Zunächst bewegte er lautlos die Lippen, dann sagte er: „Sind Sie... Sie sind wahnsinnig geworden. Ich dulde solche Scherze nicht. Sie ... Sie erlauben sich ...“, zischte er, vor Zorn rot im Gesicht. „Sie wagen es, Sie Grünschnabel?“

Schigalow schrie so laut, daß die Fensterscheiben klirrten. „Stehen Sie auf. Sie vergessen wohl, wo Sie sich befinden, junger Mann! Hinaus mit Ihnen, und kommen Sie mir nicht mehr unter die Augen, verstanden?“

„Jawohl! Aber ich möchte heiraten, Exzellenz!“

„Sie können woanders heiraten, aber nicht hier, bei mir! Sie reichen bei weitem an meine Nichte nicht heran, mein Freund. Sie sind kein ebenbürtiger Partner der Nichte eines verdienten Generals. Weder Ihr Vermögen noch Ihre gesellschaftliche Stellung geben Ihnen das Recht, um die Hand meiner Nichte anzuhalten. Ich entschuldige Ihr Eindringen zu mir, aber belästigen Sie mich nicht länger!“

„Sie haben, wie ich weiß, schon fünf Bewerber zum Teufel gejagt, Herr General, aber beim sechsten, bei mir, wird Ihnen das nicht gelingen. Hören Sie zu, Exzellenz! Ich gebe Ihnen hier mein Ehrenwort, daß ich als künftiger Ehemann von Warja nicht eine Kopeke von jenem Geld fordern werde, das Sie als Warjas Vormund veruntreut haben. Wie gesagt — mein Ehrenwort!“

„W a s... was? Wiederholen Sie das“, schrie der General, indem er wie ein gereizter Gänserich auf mich zulief. „Wiederholen, wiederholen, du Schuft!“

Ich wiederholte. Der General wurde zinnoberrot und rannte im Zimmer herum. „So etwas! Das fehlte noch, daß mir meine Untergebenen solche Beleidigungen ins Gesicht schleudern. Mir ... mir wird schlecht!“

„Ich versichere Ihnen, Exzellenz, ich werde nicht nur nichts von Ihnen verlangen, sondern ich werde auch niemals eine Andeutung darüber machen, daß Sie Warjas Geld veruntreut haben. Auch Warja werde ich zum Schweigen anhalten — Ehrenwort!“

„So ein Grünschnabel, so ein hergelaufener, erlaubt 6ich, mir solche Gemeinheiten ins Gesicht zu rufen Entfernen Sie sich, junger Mann, und nehmen Sie zur Kenntnis, daß Ihr unverschämtes Betragen beispiellos ist. Im übrigen... ich will annehmen, daß Sie sich diese Frechheit nur aus Leichtsinn oder aus Dummheit erlaubt haben. Entfernen Sie sich, ich bin beschäftigt.“

„Ich gebe Ihnen noch einmal mein Ehrenwort, General, daß ich niemals etwas andeuten werde. Zehntausend Rubel, die Warjas Vater hinterlassen hat, sind spurlos verschwunden. Na schön. Zehntausend Rubel sind kein so großes Vermögen, man kann sie verschmerzen...“

„Was reden Sie? Ich habe nichts veruntreut. Ich werde es Ihnen gleich beweisen, sofort!“

Der General zog mit zitternden Händen ein Lade aus dem Tisch, entnahm derselben eins-n Stoß irgendwelcher Papiere, und begann langsam darin herumzublättern. Zu seinem Glück kam der Diener und meldete, daß das Essen serviert sei.

„Gut! Nach dem Essen werde ich es Ihnen beweisen!“ murmelte er, die Papiere sorgfältig zurücklegend. „Ein für allemal... um dem Klatsch ein Ende zu bereiten. Gleich nach dem Essen, Brüderchen, werden Sie sich überzeugen!“

Wir gingen zum Essen. Warja strahlte, als sie mich neben dem General sah. Während des ersten und des zweiten Ganges war der General zornig und blickte finster drein. Er salzte mit verbissener Wut die Suppe, grollte wie ferner Donner und murmelte unzusammenhängende Worte ...

„Onkelchen... Sie schauen heute aber nicht so lieb aus wie sonst. Es steht Ihnen so ein finsterer Blick nicht zu Gesicht“, bemerkte Warja.

„Was fällt dir ein, Kritik auszuüben? Jetzt aber genug. Komm“, rief er zu mir. Und wir gingen wieder in sein Zimmer.

„Mein Lieber“, begann er, ohne mich anzusehen. „Nehmen Sie Warja. Ich bin einverstanden. Sie sind ein guter Junge. Von mir aus! Nehmen Sie sie. Du mußt mich schon entschuldigen, daß ich mich vor dem Mittagessen so geärgert habe ... das war alles aus Liebe... sozusagen, väterlich. Aber eines kann ich dir sagen. Ich habe nicht zehntausend Rubel veruntreut, sondern nur sechstausend. Allerdings habe ich auch, das Geld, das ihr Tante Nastja hinterlassen hat, verspielt. Wer hat schon geglaubt, daß es so schief gehen wird? In Monte Carlo, weißt du, da denkt jeder, er muß gewinnen! Na, so ein Pech! Aber... ich vertraue dir, Junge, nimm Warja!“ Ich drückte ihm die Hand und versprach noch einmal heiligst, mit keinem Wort sein Mißgeschick zu erwähnen.

„So, und jetzt feiern wir die Verlobung mit Champagner!“

Ich heiratete Warja. Bei der Hochzeit trank der General viel Sekt und versicherte mir immer wieder, daß er mir — alles verziehen habe.

(Aus dem Russischen, I. v. Bischoffshausen)

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