Gottfried Helnwein: Gesichter aller Art

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Große Helnwein-Retrospektive im Linzer Lentos-Museum.

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Große Helnwein-Retrospektive im Linzer Lentos-Museum.

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Von Donald Duck habe ich mehr gelernt als von allen Schulen, in denen ich war", meinte Gottfried Helnwein einmal. Eine Aussage, die gleichermaßen spielerisch-provokant wie treffend ist. Denn der 1948 in Wien geborene Künstler kennt keine Unterscheidung in Hoch-und Trivialkultur. Viele seiner Bildmotive sind der amerikanischen Film-und Comicwelt entnommen. 'L.A. Confidential" (2000) nennt sich ein großformatiges Bild offenbar in Anspielung auf den gleichnamigen Streifen, das wie ein Filmstill aus einem amerikanischen 1950er-Jahre-Krimi aussieht. Zu sehen sind ein Polizist und ein Kommissar im Humphrey-Bogart-Look. Die beiden Männer beugen sich über eine 'tote" Donald-Duck-Figur.

Das Bild irritiert in mehrfacher Hinsicht. Zum einen weiß man es inhaltlich nur schwer zu deuten. Was hat es mit dem toten Entenmann auf sich? Kann eine Comicfigur überhaupt sterben? Oder hat sich hier ein getöteter Verbrecher nur mit einer Donald-Duck-Maske getarnt? Verstörend wirkt das Bild auch aufgrund seiner Koppelung aus hyperrealistischen und surrealen Elementen. Medial erweist es sich ebenfalls als Hybrid. Für den Betrachter lässt sich nur schwer erkennen, ob es sich um Fotografie oder Malerei handelt.

Und tatsächlich sind für Helnwein Malerei und Fotografie keine konkurrierenden Medien. Fotodrucke und nach Fotografien hyperrealistisch gemalte Bilder stellt der Mann mit dem charakteristischen Pop-Star-Outfit (Stirnband und Sonnenbrille) gleichberechtigt nebeneinander aus.

'Schock-Künstler"

Zu sehen ist das schwarzweiß gehaltene Mischtechnik-Bild im Linzer Lentos. Gemeinsam mit rund 40 anderen Arbeiten präsentiert das Haus an der Donau die erste museale Schau des in Österreich stets heftig umstrittenen 'Schock-Künstlers". Bekannt wurde Gottfried Helnwein in den 1970er Jahren durch Aufsehen erregende Profil-Covers verletzter und verunstalteter Menschen. Die Etikette des 'Provokateurs" ist Helnwein hierzulande nie mehr wirklich losgeworden.

Überhaupt hat man Gottfried Helnwein in Österreich immer mit Skepsis betrachtet. Zu glatt, zu amerikanisch und zu figural erschien sein Werk gerade in den 80er Jahren, als der gestische Expressionismus der Neuen Wilden auf der einen und die Neo-Geo-Welle auf der anderen Seite die heimische Kunstszene beherrschten. Eine Zeit, in der Helnwein Österreich den Rücken kehrte. Seit 20 Jahren lebt er im Ausland, zuerst in Deutschland, heute abwechselnd in Los Angeles und Irland.

Es ist wohl kein Zufall, dass Lentos-Leiterin Stella Rollig jetzt eine themenorientierte Retrospektive Gottfried Helnweins zeigt. Für Rollig scheint die Wahl tatsächlich ein Glücksgriff zu sein. Zum einen passt Helnwein durch seine Medienvielfalt und den sozialen wie politischen Themenschwerpunkt gut in das Gesamtkonzept der 'neuen" Lentos-Leitung, zum anderen ist der im letzten Jahr heftig kritisierten Museumsdirektorin mit dieser Schau erstmals ein wirklicher Publikumsrenner gelungen.

Und überhaupt: Im Zuge der wieder erstarkten figuralen Malerei und dem Aufschwung des Mediums Fotografie in den späten 90er Jahren ist die Zeit reif für einen veränderten Blick auf den Künstler, der stets mehr durch seine polarisierenden Bildinhalte als durch seine Formensprache im öffentlichen Gespräch war.

Glatte Oberflächen

Im Hauptraum des Lentos finden sich Bilder aus allen Werkphasen, wobei der Schwerpunkt auf Arbeiten der letzten fünf Jahre liegt. Die mitunter äußerst heterogenen Bilder befassen sich alle mit dem menschlichen Körper - insbesondere mit dem Gesicht. Da begegnet man bandagierten und verletzten Köpfen, unschuldigen Kindergesichtern oder maskenartig bemalten Horror-Faces.

Von den Bildern Helnweins wird man gleichermaßen angezogen wie abgestoßen. Besonders irritiert dabei die glatte Oberfläche, die ein tieferes Eindringen in ein Thema unmöglich macht.

Der Gang durch die geballte Schau hinterlässt ambivalente Gefühle - und erscheint wie ein Parcours durch unterschiedliche Kunsttendenzen. Viele Bilder kommen einem bekannt vor und sind doch unverkennbare 'Helnweins". Bei den frühen Bandagen-Bildern denkt man an die Wiener Aktionisten, bei den verzerrten Porträts an Francis Bacon, und so manches schwarzweiße Bild erinnert an die verschwommenen Gemälde Gerhard Richters. Helnwein selbst hat damit kein Problem: 'Ich arbeite mit vielen Medien sehr eklektisch. Ich glaube, das ist die einzige Form, in der man als Künstler heutzutage mit soviel Information umgehen kann. Ich mache Fotografie, Malerei, Bühnenbilder, Videos."

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