In der Kunst geht es ums Ganze

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„Kreuzungspunkt Linz“ so der Titel einer aktuellen Schau im Lentos Kunstmuseum, kuratiert von FURCHE-Autorin Johanna Schwanberg und Dieter Burchhart. Gezeigt werden viel diskutierte Werke von der klassischen Moderne bis zu Arbeiten aus der vergangenen Dekade.

„Ewig währt am längsten.“ Diese Erkenntnis des deutschen Oberdadaisten Kurt Schwitters unterläuft nicht nur den moralischen Anspruch, den das von ihm weiterverarbeitete Sprichwort beansprucht hatte. Vielmehr hievt er es mit dem Augenzwinkern des auch malenden und bilderhauenden Wortakrobaten auf die ultimative Schaubühne der Kunst. Was sollte schon Ehrlichkeit auf dieser Bühne bedeuten? Der Kunst, so unterstellt zumindest Schwitters glaubwürdig, geht es immer ums Ganze – oder die Produkte sind gar nicht Kunst. Selbst in Zeiten, die dem Fragment frönen, gilt dieser Grundsatz. Jedes Kunstwerk steigt ein in den Verband aller Meisterwerke aller Zeiten und kann gar nicht anders, als dort seinen ureigensten Beitrag zu leisten. Eine Aufgabe mit Ewigkeitscharakter.

Da lässt sich dann auch die Probe aufs Exempel machen, wie dies die von FURCHE-Autorin Johanna Schwanberg und Dieter Buchhart kuratierte Schau „Kreuzungspunkt Linz“ im Lentos Kunstmuseum in Linz in einer ausgeklügelten Zusammenstellung anbietet.

Kunstwerke aus Linzer Sammlungen

In acht thematische Rubriken untergliedert finden sich hier bereits viel diskutierte Werke beginnend mit der klassischen Moderne und wichtige Positionen aus der Nachkriegskunst im Verbund mit Arbeiten, die in etwa in der letzten Dekade entstanden sind. Gemeinsam ist ihnen zunächst, dass sie alle aus Linzer Sammlungen stammen, darüber hinaus aber alle Zugehörigkeit sprengendes Begehren nach der Ewigkeit gegenseitigen Austausches. Und gleich der Einstieg geht programmatisch „unter die Haut“, wenn zum Beispiel die malerische Auseinandersetzung von Maria Lassnig mit der realsten Realität, dem Hautkörper, auf ein Video von Karin Fisslthaler trifft, in dem die Künstlerin ihr Gesicht mit Klebeband bis zur Unkenntlichkeit überklebt hat, um es nun vor laufender Kamera Schicht für Schicht wieder freizulegen.

Die Erkundung des eigenen Körpers mit künstlerischen Mitteln, die in der österreichischen Kunstszene seit den 60er Jahren einen fixen Platz hat, lässt sich aber auch noch erweitern, wenn Kunstschaffende tatsächlich zu Forscher/innen werden. Dann spielt sich der seit der Neuzeit inszenierte Titanenkampf ab, der bis dato offen lässt, ob die Kunst immer die wissenschaftlichen Erkenntnisse bloß in einem zweiten Schritt illustrieren darf, oder ob die Visualisierungsstrategien, die der Wissenschaft neue Erkenntnismöglichkeiten auftun, nicht bereits genuin künstlerische Verfahren darstellen. Eng damit verbunden ist der nächste Bereich in der Ausstellung, „Bilder werden Worte – Worte werden Bilder“. Die Frage, ob etwa Harald Gsallers Triptychon „AUGE oder EI“, bei dem eine informative Textzeile zu einer Linie mutiert, die eben ein Auge oder ein Ei grafisch zur Ansicht bringt, nun als Bild oder als Wörter aufzufassen ist, wird sich wohl nie entscheiden lassen.

„Punkt und Linie zu Fläche“ vereint die in größerem zeitlichem Abstand entstandenen Arbeiten als Wegbeschreibung künstlerischer Formfindung unter Rückgriff auf Grundvarianten. Um in der nächsten Abteilung, „Ornament und Verbrechen?“, die Klärung zu erfahren, dass Kunst zwar als Spiel aufgefasst werden kann, wie es Alexander Rodtschenkos Fotografie „Rad“ suggerieren könnte, aber niemals zur Spielerei wird, wie Shirin Neshats Arbeit „Stripped“ gleich nebenan festhält. „Am Horizont“ führt anhand der Landschaftsabbildung die Brüchigkeit von Objektivierungsleistungen vor Augen.

Tina Blaus „Holländische Landschaft“ scheint in ihrer Technik als Ölmalerei weniger Wirklichkeitswert zu besitzen als Julie Monacos an eine Fotografie erinnernde Computergrafik, allerdings dürfte Blau mehr an „tatsächlicher“ Landschaft auf die Leinwand übertragen haben, als Monacos ausschließlich als numerischer Code entstandene Arbeit. Die beiden abschließenden Abteilungen „Faszination Großstadt“ und „Brennpunkt Soziales“ widmen sich einmal mit dem urbanen Lebensraum der für immer mehr Menschen zutreffenden Lebenswelt und fragt nach den Möglichkeiten eines gedeihlichen Zusammenlebens und inwiefern Kunst dazu einen Beitrag leisten kann. Eine Zusammenschau, die zu längerer Betrachtung einlädt, ehrlich.

Kreuzungspunkt Linz. Junge Kunst und Meisterwerke

Lentos Kunstmuseum Linz, Ernst Koref-Promenade 1, 4020 Linz, ab 9.8., täglich 10 –18 Uhr, Do 10 –21 Uhr

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