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Johanna und Herbert Kandl im Lentos: Kunst als Kapitalismuskritik.

Der sterbende Kapitalismus kann nicht tanzen, auch wenn er Sonntagskleider trägt", steht auf einem Bild von Johanna Kandl geschrieben. Zu sehen ist eine spärliche bekleidete Frau mit hochhackigen Stiefeln, die sich vor dem Café Alberts auf der Berliner Karl-Marx Allee tanzend der Öffentlichkeit preisgibt. Gemalt in traditioneller Technik \0x2212 Eitempera auf einer Holzplatte - und in realistischem Stil wirkt das genrehafte Bild sympathisch altmodisch. Die Kombination aus einem pointiertem Slogan und einem Bildmotiv aus der Alltagsrealität des ehemaligen Ostens ist allerdings mehr als aktuell, geht es doch um das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Ideologien - und um die Überlebensstrategien der Menschen in den ex-sozialistischen Ländern. Das 2002 gemalte Bild ist charakteristisch für die Denk-und Arbeitsweise von Johanna Kandl.

Bereits in den 1980er Jahren war die heutige Angewandte-Professorin als gesellschaftskritische Malerin eine Ausnahmeerscheinung innerhalb der österreichischen Kunstszene. Seit 1997 verwirklichte Kandl zahlreiche künstlerische Arbeiten gemeinsam mit ihrem Mann, dem Fotografen Helmut Kandl. Durch engagierte Kunstprojekte, ausgehend von Aufenthalten im ehemaligen Ostblock und eine fundierte Auseinandersetzung mit den "neuen" dort herrschenden ökonomischen Strukturen, avancierte das Künstlerpaar seit Ende der 90er Jahre zu den konsequentesten Protagonisten des heimischen Kunstbetriebs.

Eine umfassende Museumsschau gab es in Österreich bisher aber nicht. Ein Versäumnis, das vom Linzer Lentos als Chance gesehen wurde - und zu einer der besten Ausstellungen des heurigen Ausstellungsherbstes führte. Mit mehr als 60 malerischen Werken, Installationen und Videos nimmt Kämpfer, Träumer & Co einen Großteil des Obergeschoßes ein - und zeigt breitenwirksam auf, dass Gegenwartskunst durchaus in der Lage ist, einen relevanten Beitrag zu brisanten ökonomischen und politischen Themen zu leisten. Johanna Kandl unterstreicht anlässlich der umfassenden Schau den gesellschaftspolitischen Anspruch ihrer Arbeit: "Die Ausstellung behandelt anhand der Mikroökonomie und des Privaten die gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahre, in denen die irreguläre (Markt)wirtschaft in den ex-sozialistischen Ländern mit ihren großen Wachstumsraten und ihrer Flexibilität eine Form ökonomischer Avantgarde bildet."

Wer davon ausgeht, dass politische Kunst spröde und bilderfeindlich ist, wird beim Rundgang eines Besseren belehrt. Die detailreichen Gemälde Johanna Kandls, die in ihrer blassen aber kontrastreichen Farbigkeit und der bewusst realistisch-naiven Darstellungsart an alte Kinderbücher erinnern, sind sinnlich anzuschauen. Die pastellfarbenen Bilder von tristen Alltagsszenen im ehemaligen Osten, etwa dem Leben in Barackendörfern, werden stets von ins Bild geschriebenen plakativen Zitaten aus dem Marketingbereich oder den Wirtschaftsteilen westlicher Zeitungen kommentiert.

Ästhetische Anliegen und kapitalismuskritische Ansätze treffen auch im Projekt No Names aufeinander, das die Besucher gleich in der Eingangshalle erwartet. In einer Getränkevitrine gibt es Bier-und Saftdosen zu kaufen. Um welchen Inhalt es sich handelt, erfährt man erst nach dem Öffnen, denn die Markennamen wurden bunt übermalt. Ausschlaggebend für den Kauf ist also lediglich die Sympathie für Rot, Lila oder Gelb.

Johanna und Helmut Kandls getrennte und gemeinsame Werkkomplexe widerlegen das traditionelle Bild eines Künstlerpaares, bei dem einer der beiden Partner - fast immer war dies bis in die 1970er Jahre die Frau - eine dienende Funktion einnehmen muss. Neben den Malereien Johanna Kandls geben sechs Videos Einblick in die gemeinsamen Arbeiten des Künstlerpaars. Darunter das eigens für die Schau entstandene Video Upstairs Downstairs, das sowohl in Inhalt und Titel auf Nestroys Zu ebener Erde und erster Stock anspielt - in diesem Fall aber die beiden Stockwerke des Lentos meint. Erzählt wird eine fiktive Geschichte rund um einen Kunstraub, der sich im Rahmen eines Society-Events abspielt - organisiert vom Förderverein des Museums an der Donau. "Die Unsicherheit hat jetzt auch Linz erreicht", heißt es aus dem Off.

Johanna und Helmut Kandl

Kämpfer, Träumer & Co

Lentos Kunstmuseum Linz

Ernst-Koref-Promenade 1, 4020 Linz

www.lentos.at

Bis 14. 1. 2007 Mo-So 10-18 Uhr, Do 10-22 Uhr.

Katalog: Kämpfer, Träumer & Co. Johanna Kandl, Helmut Kandl, Helmut & Johanna Kandl. Lentos Kunstmuseum, Linz 2006, 128 S., Euro 19,50

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