Kann man den Teufel mit einem Messerstich ermorden?

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Charles Gounods "Faust“ an der Grazer Oper: Statt Fragen, die sich aus der Gretchen-Tragödie ergeben, zu beantworten, wirft Regisseurin Mariame Clément neue auf. Nicht unspannend.

Am Anfang, während der Ouvertüre, liegt Margarethe aufgemascherlt auf der Totenbahre, und Doktor Faust verzichtet auf seinen Selbstmord. Er schließt mit dem eleganten Mephistopheles den Bund der Blutsbrüderschaft und startet sein Verführungsvorhaben. Ganz so haben dies weder Johann Wolfgang von Goethe, noch die Librettisten Jules Barbier und Michel Carré für die Opernversion von Charles Gounod geschrieben. Aber man wiegt sich bei der zwingende optische Eleganz, musikalisch motivierte Beweglichkeit und gediegene Ironie aufbietenden französisch-persischen Regisseurin Mariame Clément, die vor wenigen Wochen dem Theater an der Wien eine beachtliche Inszenierung von Rameaus "Castor et Pollux“ beschert hat, in trügerischer Sicherheit. Sie, ihr Bühnenbildner Johannes Leiacker und mit Vorbehalten auch der chilenische Kostümbildner Jorge Jara lassen die Gretchen-Tragödie ruckizucki zwingend ablaufen, dass man nur so staunt.

Schon der Manteltausch zwischen Fausts Professorentalar und Mephistos elegantem Gehrock mag andeuten, dass hier nicht nur gezaubert wird, sondern dass die beiden Figuren die zwei Seelen in Fausts Brust repräsentieren.

Ein bissl Zauber muss sein

Folgerichtig wird später, nach dem missglückten Ständchen, beim Messerduell Fausts mit Valentin, auch Mephistopheles sich in Schmerzen krümmen, als Valentin Faust an der Hüfte verletzt. Beim "Rondo vom Goldenen Kalb“ lässt Mephistopheles - ein bisserl Zauber muss sein - Geld regnen, das nur Valentin verachtend nicht aufklaubt. Der Mephisto-Walzer zeigt Soldatenfrauen und junge Mädchen im Einkaufsrausch. Als sie am Ende ihre Einkaufssackerl mit dem M-Logo aufmachen, fällt statt Markenware schwarze Asche heraus. Das ist grenzgenial. Nicht weniger zwingend ist, wie Mephistopheles mit Bischofsmütze in der Domszene Margarethe in die Hölle verdammt.

Aber leider überkam die Regisseurin im Zuge der Weltfrauentagsfeiern zum Finale ein Einfall, mit dem sie den guten Eindruck, den sie gemacht hat, im letzten Bild, der Gefängnisszene, selbst unbedacht zerstört. Denn da wird aus der patscherten Liebenden eine wilde Emanze, die Mephisto ersticht. Lässt sich der Satan, Beelzebub, Mephistopheles einfach mit einem Messerstich eliminieren? Warum fällt auch Faust in den Tod? Zurück bleibt Margarethe, die sich ihre Lippen mit dem Lippenstift nachzieht und zu "Sie ist gerettet“ provokant an die Rampe stolziert. Eine Kindsmörderin als befreite Frau? Oder doch nur als Hure?

Gottlob ist bei Tecwyn Evans, der französische Opernlyrik mit strenger Hand und dynamischer Behutsamkeit vorsichtig malt, damit all die Rollendebütanten auf der Bühne ohne Mühe vokaltriumphieren können, die Partitur in sicheren Händen.

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