Kirche in gesellschaftlicher Randposition

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Was nach 1945 als Aufbruch aus Ruinen begann, geriet in den 80er Jahren in die Krise: Ingeborg Schödl beobachtet Österreichs katholische Zeitgeschichte.

Sie selber ist eine engagierte Zeugin jener Zeit. Nun hat die Publizistin Ingeborg Schödl ihren Blick auf Österreichs katholische Kirche ab 1945 in Buchform vorgelegt. "Vom Aufbruch in die Krise“: Der Titel des Bandes, den die mittlerweile 76-Jährige vorlegt, sagt alles, ebenso das Titelbild, das die Kardinäle Franz König und Hans Hermann Groër als jeweiligen Zeugen des einen wie der anderen zeigt.

Die langjährige kirchliche Journalistin macht in diesem Buch - erfolgreich - den Versuch, die Entwicklungen, die aus der bewegten Kirche nach der Katastrophe von 1945 heute eine Institution, die "zusehends in eine gesellschaftliche Randposition hineinschlitterte“, werden ließen. Schödl zeichnet diesen Weg nüchtern und mit einem spürbaren Schuss Wehmut, aber keinesfalls mit Larmoyanz nach. Einmal mehr zeichnen die Schilderungen der Autorin nach, was einmal in der katholischen Kirche des Landes geschah und möglich war und was daraus heute - oft genug: leider - geworden ist.

Zeitgeschichte und Lebensbilder

Schödl stellt dies einerseits in einer konzisen kirchlichen Zeitgeschichte dar, in die sie Lebensbilder exemplarischer Lai(inn)en einstreut; dazu kommen, wo es der Autorin notwendig schien, Kurzbiografien im Text erwähnter Persönlichkeiten. Vor allem die Auswahl der Lebensbilder gibt der Darstellung die persönliche Note: Pionierinnen kirchlicher Frauenarbeit wie Hildegard Holzer oder Herta Pammer, die Wegbereiterin kirchlicher Bildungsarbeit Margarethe Schmid, der "Kirchenfunker“ Walter Karlberger oder die Aufbauarbeiter der Katholischen Aktion Eduard Ploier, Josef und Eva Petrik bezeugen den Aufbruch und das beispielhafte Engagement.

In der Natur der Sache liegt vielleicht, dass die letzten Aufbäumer gegen den Rückwärtsgang, den Schödl ab Mitte der 80er-Jahre ansetzt, kaum zu Wort kommen: Während die Rolle der Katholischen Aktion (KA) bis zur Affäre Groër 1995 auch in ihrer historischen Bedeutung adäquat dargestellt erscheint, wird deren Engagement beim "Dialog für Österreich“, jenem letzten Versuch aus dem Jahr 1998, eine moderat kirchenreformerische Agenda auch an der Kirchenspitze Österreichs durchzusetzen, nicht erwähnt. Die Meriten der der KA-Präsidentin von 1991 bis 1997, Eva Petrik, werden so ausführlich gewürdigt, dahingegen wird ihr Nachfolger Christian Friesl, dem das Verdienst dieses im Nachhinein als gescheitert zu qualifizierenden Versuches gebührt, nicht einmal erwähnt.

Solches mindert das Gesamt der Darstellung jedoch nicht und ist vielleicht auch der notwendigen subjektiven Themen-Auswahl geschuldet. Schödl beschreibt dem entgegen den aus den späten 40er-Jahren herrührenden Konflikt zwischen der als bischofstreuen Vorfeldorganisation denunzierten Katholischen Aktion und den Katholischen Verbänden, allen voran dem CV, sehr wohl.

In fünf Kapitel legt die Autorin ihren Gang durch die katholische Zeitgeschichte Österreichs an, der Aufbruch 1945 bis zum Staatsvertrag ist auch vom Aufbau einer neuen katholischen Identität geprägt ist, welche nicht zuletzt vom "Mariazeller Manifest“ 1952, das den - wieder von der KA und ihren Protagonisten wesentlich getragenen - Abschied von den Schatten des Ständestaates markierte. Dann folgt Schödls Darstellung der vorkonziliaren Zeit und des II. Vatikanums, das - sicher nicht nur in der Beobachtung der Autorin - mit der "Pillenenzyklika“ Pauls VI. von 1968,"Humanae Vitae“, ein fast jähes Ende nahm.

Dass das Kapitel über die Jahre 1969 bis 1985 als "verpasstes Pfingsten“ tituliert wird, entspricht der Betrachtungsweise vieler Engagierter, auch der des Rezensenten. Immerhin fand in jener Zeit auch der Katholikentag 1983 statt, der die letzte Großmanifestation des österreichischen Katholizismus in all seiner Breite darstellte. Nach Kardinal Königs Rückzug von der Kirchenspitze 1985 beginnt der von Schödl so bezeichnete "Rückwärtsgang“, den die Autorin bis 2004 ansetzt.

Der kirchliche Rückwärtsgang

Mittendrin in dieser Wende liegt die Affäre Groër samt dem daraus resultierenden Kirchenvolks-Begehren: Schödl analysiert dies klarsichtig. Dass die Monografie mit einem fünften Kapitel (2004 bis 2010) endet, das den Auswegen aus der Krise gewidmet ist, mag im Angesicht der enttäuschenden Kirchenentwicklung überraschen, ist aber wohl auch der positiven Glaubens- und Weltsicht der Autorin geschuldet.

Trotz Missbrauchskrise, auf die Schödl noch kurz eingeht, schimmert nach dem jahrzehntelangen publizistischen Kirchen-Engagement der Autorin doch Langmut durch. Sie belegt dies nicht zuletzt mit einem Zitat Kardinal Königs, angesichts der "zweitausendjährigen christlichen Geschichte“ voll "schuldhaftem Versagen“: "Wenn die Kirche nur Menschenwerk wäre … so wäre sie schon längst zugrunde gegangen.“

Dass genau dieses Wort des Jahrhundertkardinals am Ende von Schödls lesenswertem und aufrichtigem Kirchen-Buch steht, hat ja zweifelsohne mit dem Programm zu tun, dem sich die Autorin bis heute verpflichtet weiß.

Vom Aufbruch in die Krise

Die Kirche in Österreich ab 1945.

Von Ingeborg Schödl. Tyrolia 2011. 280 Seiten, geb. e 24,95

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