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Nestroys "Talismann" am Grazer Schauspielhaus: Eine Posse über Fluch und Segen der Äußerlichkeiten.

Der schicksalhaften Verlogenheit und Verdummung hat Nestroy, Über-Ich der österreichischen Stückeschreiber, ein Bein gestellt. Ödön von Horváth und Thomas Bernhard taten es ihm gleich, wenn auch ohne hinterlistige Vorfreude, sie stolpern zu sehen. Nestroys Sprache diente der Täuschung von Wahrheit, dem Spaß hinter vorgehaltener Hand. Sie erwies sich als unerschöpflicher Schatz, in die er ein wenig Ramsch und Plunder eingeschmuggelt hat. Seine Wortspiele sind herrlich gewandete Schurken, denen die Sprache weich und flüssig entkommt, so lange bis die Wirklichkeit desillusioniert und völlig unterspült ist. Er zieht in der 1840 uraufgeführten Posse Der Talisman, mit seinem Helden Titus Feuerfuchs gesprochen, der Sprache das "Feyrtagsgwandl" an.

Auf den Tag genau 166 Jahre später setzt Peter Gruber Nestroys Gesellschaftssatire für das Schauspielhaus Graz um. Die Tatsache, dass die Zauberkraft einer Perücke von der Wunderwirkung eines Botox-Spritzerls abgelöst wurde und auch "Rotkopferten" nichts mehr im Wege steht, die Karriereleiter nach oben zu nehmen, nimmt dem Stück scheinbar die Spitze. Weshalb Der Talisman immer noch für ein Facelifting taugen würde, liegt am ewig reizvollen Gespann von Aussehen und Erfolg; der beständigen Perpetuierung von Ware und Macht. Gruber wirft dem Talisman ein kulantes "Gwandl" um, unter dem sich bedauerlicherweise nur ein traditioneller Weihnachtskarpfen versteckt. Max Mayer gibt dabei einen robust jähzornigen Titus, der das Spiel berechnendem Kalkül vorzieht. Jaschka Lämmert als Salome fehlt leider nicht nur der glaubhafte Rotton im Haar, sondern auch die Einfältigkeit einer Gänsehüterin. Die hatte für diesen Abend Julia Cencig als Kammerfrau im Outfit einer Managerin gepachtet, die damit eine der wenigen Transferleistungen von Damals nach Heute erbringt.

Ob es genug ist, wenn man den Protagonisten mit einem Billa-Sackerl ausstattet und die Mitspielenden durch eine Bühne (Ausstattung Cornelia Brunn) in Schieflage zum Tänzeln bringt, um gerade von dieser Nestroy-Inszenierung eine wesentliche Bereicherung des Grazer Spielplans zu erhoffen, bleibt zweifelhaft.

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