Kosmische Architektur

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Er ist ein Ausnahmearchitekt, Schriftsteller und Spezialist für Denkmäler. Unter dem Titel "Bogdan Bogdanovic´. Der verdammte Baumeister" widmet ihm das Architekturzentrum Wien jetzt eine Retrospektive.

Eine Architektur des Gedenkens ist immer auch eine Architektur des Gedachten: Bogdan Bogdanovic ist ein Ausnahmedenker, der zum herausragendsten Denkmalarchitekten Ex-Jugoslawiens avancierte. Seine Sicht auf die Welt ist universal, schöpft aus dem Mythos und generiert daraus Orte der Kraft, die allen Kultstätten innewohnt.

"Der Urbanologe, Stadtforscher und Stadtwanderer, Architekt, Bildhauer, Ornamentiker und Kalligraph, der Graphiker und, Kritzler', der Mythologe, Etymologe, Geschichtenerzähler und Schriftsteller von hohen Graden, ja der Ex-Jakobiner, Ex-Trotzkist, immerwährende Gnostiker und Deist, der Politiker auf Zeit, aber ein enorm politischer Mensch auf Lebenszeit, der surrealistische Wiederholungstäter, kokette Querdenker und Philosoph, und nicht zuletzt der große Lehrer ohne Lehre, der seine Begabungen auch als Rolle spielt. Das Phänomen Bogdan Bogdanovic ist unteilbar und vermutlich einem analytischen Denken in jeder Form unzugänglich", schreibt Friedrich Achleitner über ihn.

Die Botschaft: Aussöhnung

Bogdanovic ist 1922 in Belgrad geboren, studierte dort Architektur und wurde 1944/45 als Partisan schwer verwundet, von 1982 bis 1986 war er Bürgermeister von Belgrad. 1993 emigrierte er nach Wien, wohin ihm unter abenteuerlichen Umständen sein Vorlass folgte, der im Architekturzentrum sichere Verwahrung fand. Ivan Risti´c arbeitete die mehr als 12.500 Zeichnungen, Pläne, Fotos und literarischen Schriften auf. Er kuratierte auch die Schau "Bogdan Bogdanovic. Der verdammte Baumeister". Sie zeigt alle 19 Denkmäler und seinen einzigen Wohnbau. Die Siedlung "Jaroslaw ´Cerni" (1952) knüpft mit Natursteinmauern, tiefen Fenstern und Dachziegeln an die anonyme Bautradition an und wirkt auch sehr archaisch.

Partisanenkämpfe, Kriege, Aufstände und Massaker zogen eine blutige Spur der Vernichtung durch Ex-Jugoslawien. Zurück blieben die Opfer, verbrannte Erde, zerstörte Städte, Dörfer und die Trauer der Überlebenden. Der Unmöglichkeit, Geschehenes rückgängig zu machen, war nur die Möglichkeit entgegenzusetzen, angemessene Orte des Gedenkens zu schaffen. Der Symbolreichtum der Formen, die Bogdanovic dafür fand, ist einzigartig, vielfältig und archaisch, die Botschaft immer dieselbe: Aussöhnung. Seine Gedenkstätten, Nekropolen, Kenotaphe, Mausoleen und Friedhöfe sind ideologiefrei und von vielerlei steingemeißelten Wesen bevölkert. Sie werden besonders gern von alten Menschen, Kindern und Liebespaaren besucht. "Es sind Orte für die Lebenden, auch wenn sie den Toten gewidmet sind," so Ivan Risti´c.

"Philosophie der Architektur"

"Bogdanovic hat ein platonisches Verhältnis zu seinen Bauten. Die Realisierung ist nur eine Zwischenstation: Als sie fertig waren, zeichnete er oft noch daran weiter. Das Spannende an der Ausstellung ist, dass wir alle Phasen zeigen können."

Von der Decke hängen Fotos der Denkmäler, unter denen an zarten Drahtseilen horizontale Vitrinen schweben. Die Zeichnungen darin lassen den Entstehungsprozess erahnen und werden von einem Text ihres Schöpfers kommentiert. Auch seine Rolle als Autor, Urbanist, Theoretiker und Lehrer, der in Mali Popovi´c die "Dorfschule für die Philosophie der Architektur" gründete, wird beleuchtet.

Am berühmtesten ist die Gedenkstätte für die KZ-Opfer in Jasenovac (1966), Kroatien, wo die Ustascha an der Save ein Vernichtungslager erbaute. Hier ließ Bogdanovic eine 24 Meter hohe Blume aus Spannbeton aus der Ziegelteichlandschaft wachsen. Der Weg zum Denkmal führt um Atolle und Krater, die auf die Vernichtungsstätten verweisen. Unter der Blume weitet sich der bergende Raum einer Krypta. Das Foto der Eröffnung zeigt Frauen in Tracht um die hohe Blüte stehen, die sich im Wasser spiegelt.

"Symbole hatten mich gesucht"

"Die äußeren sichtbaren symbolischen Anspielungen übertrugen sich auf die unsichtbare innere Struktur der kosmischen Pflanze, deren Krone, den Himmel berührte' und die mit ihrer Wurzel, die Unterwelt' erreichte. Tatsächlich hielten tief im unterirdischen Torfmoor 12 unsichtbare sogenannte Franki-Pfähle dem ganzen Druck stand. Ich habe nie absichtlich nach Symbolen gesucht. Sie hatten, so merkwürdig es klingt, mich gesucht. Sie kamen über mich und verleiteten mich zu unerwarteten Überlegungen und Entdeckungen. Beim Denkmal von Jasenovac deckte sich der Konstruktionsgedanke - ich möchte beinahe sagen - die statische Allegorie ganz spontan mit der äußeren Syntax der Formen", so Bogdanovic in seinem Buch "Der verdammte Baumeister".

Am 22. April liest Wolfram Berger aus Bogdanovic' literarischen Werken, am 27. Mai wird der sehenswerte Dokumentarfilm "Architektur der Erinnerung" von Reinhard Seiß gezeigt. Beide Veranstaltungen beginnen um 19 Uhr, der Eintritt ist frei.

Bogdan Bodanovic. Der verdammte Baumeister

Architekturzentrum Wien

Museumsplatz 1, 1070 Wien

bis 2. 6., täglich 10-19 Uhr

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