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Die Stadtbahn wird unterschätzt

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Als in Wien das Alwegbahn-Projekt diskutiert wurde, kam neben dem wenig überzeugenden Argument, die geplante Bahn sei in der Herstellung billiger als die (bestehende) Stadtbahn, wie selbstverständlich auch ein anderes zur Sprache: „Die Stadtbahn muß verschwinden; sie ist häßlich.“

Ist die Stadtbahn häßlich? Ist die Opernpassage schön? Mag sein, daß zur Zeit ihrer Eröffnung die Opernpassage den gepflegteren Eindruck machte. Aber welches ist das bessere Bauwerk?

Der Vergleich ist nicht müßig. Die Stadtbahn ist in Gefahr, schrittweise durch Bauwerke vom Geist der Opernpassage ersetzt zu werden. Dabei sei nicht von der verschiedenen Formenwelt, von „stilistischen“ Fragen die Rede. Deutlicher als am einzelnen Gebäude wird der Qualitätsunterschied am Konzept, an der zugrundeliegenden Vorstellung von der Großstadt.

Eine Lanze für die Gründerzeit

Die Großstadt der Gründerzeit wird gern als „uferlos“ und „chaotisch“ bezeichnet. Uferlos war sie in den Augen der Zeitgenossen allerdings; Wien ist nie so groß geworden, wie man es in den neunziger Jahren erwartete. Aber gerade darum war sie nicht chaotisch. Es bestand eine Strukturvorstellung, die eine beliebige Aus-

dehnung der Stadt erlaubte, und die imstande war, die ungeheure — und noch dazu private — Bautätigkeit zu organisieren.

Die Elemente dieser Struktur waren die Straßenkreuzungen und der Bau-blek- Der Straßenraster entsprach den Verkehrsmitteln, er war die beste Art, jeden Punkt mit jedem zu verbinden. Der parzellierte Baublock entsprach dem privaten Bodenbesitz und der handwerklichen Bautechnik.

Das System hatte auch Nachteile. Abgesehen davon, daß der Straßenraster nicht für schnelle Fahrzeuge geeignet ist, waren die Wohnungen nicht von den Industriebetrieben getrennt und nicht nach der Besonnung ausgerichtet. Aber späteren wissenschaftlichen Planungen hatte es eines voraus: es wurde durchgehend reali-i siert.

Wenn nun, so schloß Otto Wagner in seinem preisgekrönten Generalregulierungsplan für Wien 1894, rund um einen Stadtkern ein solches System von Radialstraßen und Ringen — ergänzt durch Diagonale — errichtet wird, wenn in regelmäßigen Abständen Gürtel für Massenverkehr und Gütertransport angelegt werden, wenn schließlich jeder Bezirk die notwendigen Grünflächen in sich enthält, dann kann diese Stadt sich zum Ruhm ihres Landes unbegrenzt ausdehnen, ohne Schaden zu nehmen.

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