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Joseph Maria Olbrich

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Anläßlich des 100. Geburtstages von Joseph Maria Olbrich — der arr 22. Dezember 1867 in Troppau geboren wunde — fand im Vorjahr im Hessischen Landesmuseum Darmstadt eine große, 468 Katalognum- mem umfassende Gedächtnisausstellung statt, aus der gegenwärtig eine wesentlich kleinere Auslese in dei Wiener Secession im 60. Todesjahr ihres Erb- ?rs gezeigt wird. Bekanntlich s.. dierte Olbrich von 1890 bis 1893 an der Wiener Akademie der bildenden Künste bei Carl von Hasenauer, ging dann zu Otto Wagner, wurde zum Gründungsmitglied der Secession, deren Haus er von 1897 bis 1898 erbaute und verließ Wien im Jahre 1899, nachdem ein Versuch Wagners fehlgeschlagen war, für ihn eine Anstellung an der Kunstgewerbeschule zu erhalten. Er folgte damals einer Berufung durch den Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein nach Darmstadt als Gründungsmitglied der dortigen Künstlerkolonie, um in dem Landesfürsten einen großzügigen Mäzen und Protektor zu finden, der an Olbrichs Werk „österreichische Fröhlichkeit und Leichtigkeit“ schätzte. In Darmstadt und später in Düsseldorf, wo Olbrich von 1907 bis zu seinem Tod am 8. August 1908 wirkte, entstanden zahlreiche Wohnhäuser, Nutzbauten, Innenarchitekturen und Projekte, die in einer seltenen Fülle bis in das kunstgewerbliche Dekor, zur Buchausstattung, illustration, ja, zur Postkarte reihen. In der Wiener Ausstellung erweist sich Olbrich als Graphiker von Rang (eine Tatsache, die auch Otto iVagner auf Olbrich aufmerksam machte und ihn bewog, ihn in sein Atelier aufzunehmen), der es ver stand, ein Projekt von der Idee bis zur Verwirklichung schon rein zeichnerisch überzeugend zu präsentieren, oft gleichgültig im Hinblick auf den architektonischen Gehalt, der ihm innewohnte.

Als Architekt aber stand Olbrich an der Schwelle der Zeiten. Betrachtet man sein Werk in dieser Ausstellung, an der das Historische Museum der Stadt Wien maßgeblich beteiligt ist, dann wird man den Eindruck nicht los, daß es in seinen entscheidenden Arbeiten mehr von einem äußerlichen Geist klassizistischer Restauration beeinflußt wird als seine Landsleute Wagner und Loos. Verhältnismäßig spät, was allerdings durch das allzu kurze Leben begreiflich wird, fand Olbrich zu dem architektonischen Grundgesetz der Durchdringung und Variation einfacher stereometrischer Raumkörper, was sich auch in den anfangs sehr bizarren Dachlösungen ausdrückt. Ähnlich wie das nicht nur bei ihm veräußerlichte Ornament wirkt die Formensprache der Bauten selten überzeugend, manche Elemente der späteren Welle des deutschen Neoromantizismus und Expressionismus (Hötger, Mendelsohn) sind in ihr schon enthalten. Die Maßstäbe dieser Zeit sind aber bei Sullivan, Horta, Mackintosh und vor allem bei Perret zu finden, bei uns bei Wagner und Loos, die größere Zielstrebigkeit, eine neue Konzeption, auszeichnete. Behrens und Gropius sollten ihr auch bald in Deutschland Ausdruck verleihen. Olbrich stellt sich in dieser wichtigen Ausstellung zwar als interessante Persönlichkeit und als bedeutender, aber keinesfalls genialer Architekt seiner Zeit dar.

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