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Ein Johann Strauß der Formen
Was fällt dem Wiener ein, wenn er den Namen Olbrich hört? Die Secession („Goldenes Krauthappel”), wenn er ein gebildeter Wiener ist. Weniger bekannt ist, daß er während seiner Tätigkeit bei Otto Wagner wahrscheinlich auch Teile des Schönbrunner Stadtbahn-Hofpavillons entworfen und an der Ausgestaltung der Stadtbahnstation Karlsplatz mitgewirkt hat.
Nach dem Hinauswurf der Seces-sionisten aus dem Künstlerhaus bekam der junge Architekt Olbrich den Auftrag für ein neues Gebäude. Davon, wie schockierend die von ihm gefundenen Formen 1898/99 wirkten, gibt Hermann Bahr einen Begriff: „Es sind Arbeiter, Handwerker und Weiber, die zu ihrer Arbeit sollen, aber hier stehen bleiben, verwundert schauen und sich nicht abwenden können. Sie staunen, sie fragen, sie besprechen das Ding. Es kommt ihnen sonderbar vor; so etwas haben sie noch nicht gesehen; es befremdet sie, sie sind recht betroffen. Ernst und nachdenklich gehen sie dann, kehren sich wieder um, sehen noch einmal zurück, wollen sich nicht trennen, und zögern, an ihr Geschäft zu enteilen. Und das hört jetzt dort den ganzen Tag nicht auf.”
Nachzulesen in der Olbrich-Mono-graphie von Ian Latham, der mehr oder weniger zufällig auf Olbrich als Dissertationsthema stieß und feststellte, daß es erstaunlicherweise keine Publikation über ihn gab. Nun ist seine Arbeit endlich in Neuauflage wieder verfügbar.
Wien sollte nur eine Periode in Olbrichs Leben bestimmen. Das bereits sehr früh entdeckte und geförderte 'Talent wurde nach Darmstadt abengagiert. In der Künstlerkolonie auf der dortigen Mathildenhöhe stehen die meisten seiner Bauten. Von Olbrichs Einfallsreichtum kann man, ähnlich wie von Josef Hoffmann, sagen: Er war ein Johann Strauß der Formen. Mit ihm und Josef Hoffmann erreichte der Jugendstil seinen Höhepunkt und ging zu Ende.
Das Düsseldorfer Warenhaus Tietz, das sein letztes Werk wurde (er starb mit 40 Jahren an Leukämie), läßt ahnen, in welche Richtung er sich nach dem Ersten Weltkrieg weiterentwickelt und daß er sich gewiß nicht im Jugendstil festgekrallt hätte.
Eine seriöse, reich illustrierte Monographie, die auch den hochbegabten Möbelentwerfer und Designer verschiedener Gebrauchsgegenstän -de zu seinem Recht kommen läßt.
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