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Nervöser Zeichenstift

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Weil ich die Schönheit liebte” läßt Kurt Tucholsky den verstorbenen Henri

Toulouse-Lautrec dem lieben Gott auf die Frage antworten, warum er solchen Unflat gemalt habe. Seither sind gut doppelt soviele Jahrzehnte vergangen wie zwischen Toulouse-Lautrecs Tod und Tucholskys meisterhaftem Feuilleton „Einer aus Albi”, keiner käme mehr auf die Idee, der liebe Gott könnte Toulouse-Lautrec Fragen stellen, die ihm selbst Tucholsky noch unterstellte. Toulouse-Lautrec ist in den großen Konsens über das Ästhetische eingemeindet - gegen den sich ein Francis Bacon noch erfolgreich sperrt.

„Überall und immer hat auch das Häßliche seine bezaubernden Aspekte” steht auf der Rückseite des Toulouse-Lautrec-Bandes in der Pre-stel-Pegasus-Bibliothek. Autor Bein-hold Heller macht nicht nur deutlich, warum, wie sehr, auf welche Weise der Sohn des Grafen Toulouse-

Lautrec als junger Künstler ein Außenseiter war und seine Kunst als Anschlag auf die bürgerliche Wohlanständigkeit empfunden wurde. Er zeichnet auch seinen Weg zur Akzeptanz nach - auf dem keineswegs nur die Gesellschaft dem Künstler, sondern auch er selbst ihr entgegenkam. Und nicht nur er, sondern das ganze Milieu, dessen Chronist der verunstaltete kleine Mann mit dem nervösen Strich geworden war: „Ich war nur ein Zeichenstift alle meine Tage” sagte er kurz vor seinem Tod. Als er 1901 starb, war freilich auch das Moulin Rouge nur noch „verrucht”, aber längst nicht mehr wirklich verrucht.

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