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Wie das Christkind den hl. Josef verloren hat

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Vater, Mutter und ein gerade geborenes Baby - so rührend und ergreifend kann das natürliche Leben einer jungen Familie sein. Und genauso wurde auch bis zum 15. Jahrhundert die heilige Familie dargestellt, menschlich und alltäglich. Jesus liegt in die Krippe gebettet, im Stall; und Maria auf einem Bett, noch schwach von den Anstrengungen der Geburt. Und in der Nähe alles, was man vor und nach der Geburt gebraucht hat - vor allem ein großer Bottich zum Baden des Neugeborenen. Dazu eine Hebamme und der hl. Josef, der Vater, beide beschäftigt mit allerlei Hausarbeiten.

Aber jetzt, ab dem 16. Jahrhundert, kommt plötzlich Bewegung in die Krippenszene. Obwohl die Hirten noch gar nicht da waren, wissen Maria und Josef bereits, wer dieses Kind in Wirklichkeit ist und knien vor ihm. Das Neugeborene hat sich inzwischen zu einem Dreijährigen entwickelt, dem erstaunlicherweise meistens das biblische Erkennungszeichen, die Windeln, fehlen. Liegt das Kind zuerst noch zwischen den anbetenden Eltern, so knien sie bald nebeneinander vor dem Kind und dann Josef hinter Maria. Erledigt Josef zuerst noch wichtige Verrichtungen, so hält er dann nur mehr ein Kerzlein, dessen Flamme er mit der Hand vor dem Erlöschen schützt. Während die alten Weihnachtsbilder noch Josef als einen vitalen Mann zeigen, wird er auf den späteren Bildern zusehends immer älter, ja zum Greis. Jetzt tut er übrigens gar nichts mehr, weil er eingeschlafen ist. Die Bildakzente sind klar gesetzt: Maria und das Kind haben einen Heiligenschein (Nimbus), Josef hat keinen. Auch die Größenverhältnisse ändern sich. Maria wird immer größer, Josef immer kleiner, auf einigen Bildern ist er so groß wie das Kind. Während alle Krippenfiguren nahe beim Kind stehen, besonders Ochs und Esel, rückt Josef immer weiter in den Hintergrund oder zum Bildrand, bis er schließlich ganz verschwunden ist.

Nach Matthäus 13/Markus 6 bestand die heilige Familie aus mindestens neun Personen - und man staunt, wie unbiblisch fromme Phantasie sein kann.

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