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"Rechts stehen und links denken": So lautete August Maria Knolls Parole.

August Maria Knoll 1900-1963

Soziologe

August Maria Knoll war geprägt von den Erfahrungen der Zwischenkriegszeit. Seine persönlichen Kontakte zu Ignaz Seipel und seine besondere Beziehung zu Ernst Karl Winter waren nur zwei der wichtigen Elemente, die Knoll zu einer besonderen Persönlichkeit der unmittelbaren Nachkriegszeit machten: Er lebte vor, was Österreich durchgemacht - vor allem aber auch, was Österreich daraus gelernt hatte.

Knoll war, von den drei deklarierten "Linkskatholiken" der Nachkriegszeit (Knoll, Friedrich Heer und Wilfried Daim*)) der älteste. Er repräsentierte auch die Brücke zu Winter, der zwischen 1933 und 1938 an den Anfängen des österreichischen Linkskatholizismus stand. Wie Winter vertrat Knoll die Parole "rechts stehen und links denken". Wie Winter löste er seine Beziehungen zum Milieu des katholisch-konservativen Lagers nicht. Das "links" war für Knoll nicht parteipolitisch gemeint, es war Ausdruck einer politisch-strategischen Präferenz: Der eigentliche, der große Feind stand weit rechts.

Der Feind stand weit rechts

Winter hatte diese Formel zur Bekämpfung des Nationalsozialismus geprägt. Knoll vertrat nach 1945 die Fortsetzung dieser Linie. Wie Heer und Daim konfrontierte Knoll daher auch den christlichen Antisemitismus. Und wie Heer und Daim war Knoll ein Vertreter des Dialogs mit der Linken - einschließlich der Kommunisten.

Knolls Soziologie-Vorlesungen, die er Jahre hindurch immer Samstag Vormittag in einem großen Hörsaal der Universität Wien hielt, waren immer berstend voll. Die meisten, die zu diesen Vorlesungen kamen, hatten kein unmittelbares Verwendungsinteresse - die Vorlesung half bei keiner Prüfung. Knoll war nicht Pflicht - er begeisterte, er fesselte durch seine Persönlichkeit, seine Themen, seine Rhetorik.

Knoll war ein "altmodischer" Soziologe. Er verstand seine Gesellschaftsanalysen nicht als exakte Messung im Sinne der empirischen Sozialforschung, er lehrte Soziologie wie eine Geisteswissenschaft. Dass er dennoch - oder eben deshalb - den zentralen Nerv aktueller Entwicklungen traf, das machte ihn so besonders interessant.

Knoll litt erkennbar unter seiner Kirche. In seinen Vorlesungen malte er das Bild einer sich historisch wandelnden Kirche, die sich aber der Einsicht in ihre eigene Geschichtlichkeit verweigert. Er kritisierte den immanenten Triumphalismus der katholischen Naturrechtslehre - und argumentierte für eine konsequente Trennung zwischen der pastoralen, dem Klerus vorbehaltenen Aufgabe, und der politischen Aufgabe, die Sache des "mündigen Laien" sein sollte. Wenige Jahre vor dem II. Vatikanum nahm Knoll dieses vorweg - das Politische ist die Kompetenz der Laien.

Knoll verstand Theodor Innitzers Appeasement von 1938, weil von Bischöfen eben nichts anderes gefordert werden dürfe als der Vorrang pastoraler vor politischen Zielen. Er kritisierte aber die Neigung des kirchlichen Lehramtes, jede pastorale Geste mit einem grandiosen Überbau zu versehen. Knoll sprach sich für einen "Methodendualismus" und gegen einen "Integralkatholizismus" aus. Er warf der Kirche nicht vor, dass sie Jahrhunderte die Sklaverei bejaht hatte - er warf ihr vor, dass sie später so tat, als wäre die Kirche schon immer für "die Freiheit" gewesen.

Kirche: Kritik und Konflikt

Knoll kam spät auch in Konflikt mit dem kirchlichen Lehramt. Sein Buch "Katholische Kirche und scholastisches Naturrecht. Zur Frage der Freiheit", 1961 erschienen, provozierte harsche Kritik österreichischer Bischöfe - auch des Kardinals von Wien, Franz König. (Auch die Furche rezensierte das Buch wenig schmeichelhaft ..., Anm.) Knoll hatte einen schmerzhaften Punkt berührt. Er hatte ausgesprochen, was Tabu war - dass die Normen des katholischen Naturrechts einem historischen Wandel unterliegen; dass sie nicht losgelöst von den herrschenden politischen Verhältnissen verstanden werden können.

Der Konflikt mit den Bischöfen änderte nichts an Knolls tiefer Bindung an seine Kirche. Aber der Konflikt schmerzte. Er starb mitten in der intellektuellen Auseinandersetzung um seine Kritik an der katholischen Naturrechtslehre.

Der Autor ist Dekan der Fakultät für Politikwissenschaft und Soziologie an der Universität Innsbruck. Er war 1966/67 Redakteur bei der Furche.

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