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In letzter Einsamkeit

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Je an einem Ostersonntag sind in den letzten Jahren Pierre Teilhard de Chardin und Reinhold Schneider 8us dieser Welt genommen worden. In der Vigil des hohen Christfestes 1963, am 24. Dezember, wurde August Maria Knoll von dieser Erde genommen, die er geliebt hatte wie ein Georges Bernanos, der, als man ihn zur tödlichen Operation brachte, noch stammelte: Er habe es nie so recht zu sagen gewagt, wie sehr er das süße Königtum Erde geliebt habe...

Die vier ungleichen Pioniere verbindet eine mörderische Einsamkeit, die ihnen das Letzte an Kräften abforderte. Zu dieser Einsamkeit gehören, für alle vier bis zu ihrer Todesstunde, die Anfeindung und die Denunziation (was nicht dasselbe ist). Alle vier sind, recht verstanden, Konservative. Bernanos, Reinhold Schneider und August Maria Knoll sind zudem noch Royalisten, Legitimisten — in einem weiten, offenen, ganz unpartikula-ristischen Sinne — gewesen. August Maria Knoll steht zudem noch in einer mindestens vierhundertjäh-rigen österreichischen und kaiserlichen Tradition: es ist jetzt — im Schlagschatten des Zweiten Vatikanischen Konzils — hoch an der Zeit, daß sich wenigstens in Österreich einige Katholiken dieser großen Tradition des Reformkatholizismus und ihrer Verpflichtungen bewußt werden. Diese Tradition führt vom Ringen der Kaiser und Könige im 16. Jahrhundert um ein großes Reformkonzil — mit Einladung der Protestanten, zur Reform der Kurie, der Kleruskirche an Haupt und Gliedern, herauf über die maria-theresianischen, josephinischen und leopoldinischen Kirchenreformen zu dem Ringen der Kardinäle Schwarzenberg (des Schirmherrn von Anton Günther) und Rauscher um und auf dem Ersten Vatikanischen Konzil.

Wer es wagt, tiefer in Knolls Problemstellungen hineinzusehen und zu horchen, der sieht bald, daß August Maria Knoll mitten in einem spirituellen Aufbruch steht, dem heute eine geistig junge katholische Intelligenz in allen Ländern verpflichtet ist, in denen Katholiken vom Winde der eben beginnenden Neuzeit berührt sind. Als Knoll bereits auf dem Krankenlager lag, auf das ihn ein Gehirntumor zwang, kamen ihm — in diesem Sinne — gerade auch aus dem geistig und spirituell wachen Westeuropa Bekundungen der Freundschaft, der Teilnahme, der Tröstung zu. Und die Freude und der Trost, die dem Schwerkranken ein telegranhischer Genesungs-

wunsch und das Versprechen eines priesterlichen Mementos Kardinal Königs bereitete, sagt mehr über die tiefe Gläubigkeit dieses Christen — wenn er es auch seinem Bischof und seinen Freunden in dem letzten Jahr schwer, mitunter sogar unmöglich gemacht hatte, ihm auf allen seinen Wegen zu folgen.

Die Auseinandersetzung über das in Buch und Schrift vorliegende Lebenswerk Knolls (sein lückenloses politisches Tagebuch, das als eine erste Quelle zur Zeitgeschichte aufgefaßt werden darf, inbegriffen), muß der Zukunft vorbehalten sein.

Hier und heute aber ist zunächst daran zu erinnern: August Maria Knoll, Ordinarius für Soziologie der Universität Wien, war einer der wenigen akademischen Lehrer in Österreich, die es verstanden, Menschen gegnerischer Überzeugungen und Weltanschauungen existentiell anzusprechen. Katholiken, Liberale, Marxisten und Antimarxisten haben als Studenten und in der ständigen Gesprächsgemeinschaft mit ihm Feuer von seinem Feuer empfangen: dieser Professor war ein großer Liebender. Er liebte — hierin Reinhold Schneider verwandt —, die ,.stumme Kreatur“, die Tiere, die für ihn nie stumm waren, mit einer

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