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Privatissimum

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Ein unermüdlicher Anwalt österreichischer Dichtung, der Kärntner Priester Kanonikus Johannes Pettauer, kam nach Wien, um in der Volkshochschule Wien-West ein literarisches Privatissimum, eine lyrische Besinnungsstunde, zu halten. Frei sprechend, von Betrachtungen über Wesen und Werk seiner Dichter immer wieder zu den Versen übergehend, schöpfte er in der unbedingten Schlichtheit des Dienenden aus dem Reichtum der Lyrik Rilkes. Besonders bedeutungsvoll aber erscheint die Interpretation von Gedichten Guido Zernattos, der heute noch vielen Österreichern als Gestalt aus der unbe-wältigten Vergangenheit erscheint, obgleich es längst an der Zeit ist, ihn als einen der eigenständigen Lyriker der neueren österreichischen Literatur anzuerkennen. Dem ländlichen Lebenskreis verbunden, ohne in die ausgefahrenen Geleise regionaler Heimatkunst zu fallen. 6chuf Zernatto in seinen Versen das Bild einer ungebrochenen, in sich geschlossenen Welt des Erschaubaren und Erfühlbaren im Bereich zwischen Kirchturm, Hügeln und Ackerbreiten. Dichterisch überhöhter Wirklichkeitssinn und eine Kraft, die auch das Drastische nicht mit der Freude an der Drastik wiedergibt, sondern alles als Gleichnis menschlichen und allgemein irdischen Wandels auffaßt, daraus erwuchs Zernattos Werk. Die Stürme der Zeit und der „Wind der fremden Kontinente“, in denen sich dieses österreichische Schicksal tragisch vollzieht, verschütten den Weg des Menschen Zernatto, bringen seine Stimme

zum Verstummen. Ein vierzigjähgiger Früh-vollendeter, stirbt er 1943 im Exil. Er hatte auf unruhigem Boden gesät, an uns ist es nun, die Ernte einzubringen, die wir ihm danken.

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