Mit Offenbach baden gegangen

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Musikalisch verfremdet, langweilig und klamaukhaft inszeniert: Offenbachs "La Belle Helene" bei den Salzburger Festspielen.

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Musikalisch verfremdet, langweilig und klamaukhaft inszeniert: Offenbachs "La Belle Helene" bei den Salzburger Festspielen.

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Nach Jahren des Originalzwangs gibt es Anzeichen für eine Gegenbewegung. Anstatt dem Publikum jede Komponistenkorinthe originalgetreu unter die Nase zu halten, besinnt man sich zumindest im Musiktheater vereinzelt wieder auf die schöpferische Bearbeitung. Dies öffnet den Schauspielern unter den Sängern, den Regisseuren, aber auch dem musikalischen Witz neue Horizonte. Den Anfang machte Sylvain Cambreling, der vor zwei Jahren für das Klangforum Wien Jacques Offenbachs "La Vie Parisienne" ummodelte. Für die diesjährigen Salzburger Festspiele hat Olivier Kaspar Offenbachs "La Belle Helene" in Angriff genommen: Das Orchester wurde auf 13 Solisten reduziert, Dirigent Ste-phane Petitjean übernimmt den (dominanten) Klavierpart. Ziemlich mager klang folglich Offenbachs Opera bouffe auf der Perner-Insel in Hallein, obwohl die Musiker des Orchestre de Paris brav, aber eben auch bieder, zu Werke schritten.

Während Cambrelings "La Vie Parisienne" vor allem dank der Inszenierung Christoph Marthalers zu einer hervorragenden Aufführung wurde, schaffte es Regisseur Herbert Wernicke in Salzburg nicht, die Räume, die ihm die musikalische Bearbeitung hätte öffnen können, zu nutzen. Über weite Strecken dominiert billiger Klamauk, zäh müht sich die Aufführung im absolut konventionellen Bühnenbild dahin - als ob man im Stadttheater Baden mit roten Wangen beschlossen hätte: "Jetzt machen wir einmal auf modern!". Zum Schreien komisch ist nur der Orest (Dominique Visse), der auf einer Harley Davidson, flankiert von zwei Kokotten (Henrike Jacob und Cecile de BÏver) im Second Empire-Salon einreitet. Er sieht aus wie eine groteske Kreuzung aus Woody Allen und Johnny Hallyday - nur ist der virile französische Rockstar kein Countertenor.

Visse ist auch der einzige, der stimmlich durchgehend überzeugt. Nora Gubisch als schöne Helena hat einige schöne Momente, klingt aber allzu oft allzu durchschnittlich, der sie erobernde und raubende Paris (Alexandru Badea) plagt sich mit den Höhen ungemein. Enttäuschend ist der gehörnte, lächerliche Menelaos von Dale Duesing, nur sein Koloraturexzess über das Wort honneur (Ehre) bleibt in Erinnerung - ausufernde Verzierungen, auch von Helena und Paris, gehören zu den wenigen Stellen, wo sich die musikalischen Aberrationen merklich auszahlen.

Die Polka, bei der Paris den griechischen Helden einen Schuhblattler vortanzt, fällt hingegen eher in die Kategorie billig. Die schon bei Offenbach lächerlichen Heroen sind hier ältere EU-Funktionäre mit Badehosen in den Farben ihres Landes, die - Wunschtraum der Regierung? - vom feschen Paris im Steirerhut vorgeführt werden (am am Ende hat Menelaos den Sepplhut auf und Paris fährt unbeholfen auf Orests Motorrad von dannen). Dabei ist in dieser Szene wenigstens etwas los auf der Bühne. Ansonsten sorgen nur noch die allgegenwärtigen Äpfel für unfreiwillige Lacher - wenn Alexandru Badea einen versehentlich in den Orchestergraben kickt und dann darüber aus dem Stegreif witzelt. Alte Humanisten erinnern sich vielleicht noch: Paris hatte als Schiedsrichter in einem Schönheitswettbewerb zwischen Juno, Minerva und Venus die Göttin der Liebe zur Siegerin gekürt, indem er ihr einen Apfel überreichte. Die Geschichte mündete letztlich in den trojanischen Krieg, als Paris die ihm als Belohnung von Venus versprochene Helena raubte.

Während bei der Premiere Buhstürme aufgekommen sein sollen, teilte sich das Publikum bei der zweiten Vorstellung auf in Begeisterte und in jene, die nach Verklingen des letzten Tons fluchtartig die ehemalige Fabrikshalle auf der Perner-Insel verließen.

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