"Mütter fungieren als Ko-Lehrerinnen"

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Das Gespräch führte Doris Helmberger

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Das Gespräch führte Doris Helmberger

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Als Wiener Mittelschullehrer sowie Vater zweier Schulkinder kennt Niki Glattauer das Lehrer-Eltern-Verhältnis aus beiden Perspektiven. In seinen Bestsellern "Mitteilungsheft: Leider hat Lukas" (2013) sowie "Leider hat Lukas schon wieder " (2015) hat er es satirisch zugespitzt. DIE FURCHE hat mit Glattauer gesprochen.

DIE FURCHE: In Ihren Büchern sind die Eltern des Problemschülers Lukas Gruber quasi nonstop mit Schulbelangen beschäftigt. Wie stark haben Sie die Realität überzeichnet?

Niki Glattauer: Nur sehr wenig. Einige Passagen habe ich eins zu eins aus Mitteilungsheften übernommen, die mir Eltern zur Verfügung gestellt haben. Andere sind zwar zugespitzt, finden sich aber vom Ton her in vielen Elternhäusern. Das einzig Atypische ist, dass in meinem Buch der Vater eine große Rolle spielt -weil ich mich selbst einbringen wollte. In Wahrheit sind es aber zu 80 bis 90 Prozent die Mütter, die bei uns de facto als Ko-Lehrerinnen fungieren. Ein Phänomen, das im deutschsprachigen Raum typisch ist und natürlich zu mehr Ungleichheit führt.

DIE FURCHE: Wie erleben Sie als Lehrer das elterliche Engagement?

Glattauer: Ich selbst bin natürlich über jede Mutter glücklich, die sich zu Hause um meinen Schüler kümmert -aber all jene, deren Eltern sich nicht kümmern können oder aus einem Kulturkreis kommen, in dem das nicht selbstverständlich ist, sind arg benachteiligt. An vielen Gymnasien gehört es längst zum guten Ton, dass Mütter gemeinsam mit ihren Kindern Powerpoint-Präsentationen über Holzfäller in Kanada vorbereiten -und die Lehrer verlassen sich darauf, dass das funktioniert. An unserer Schule haben wir diese Mütter aber nicht. Unsere Mütter sind zwar sehr am Bildungserfolg ihrer Kinder interessiert, aber sie überlassen ihn ausschließlich den Lehrerinnen und Lehrern, und dadurch kommen ihre Kinder arg ins Hintertreffen. Mehr Ganztagsschulen könnten hier natürlich ausgleichend wirken.

DIE FURCHE: Viele Eltern werden ihre Kinder aber auch dann noch abends unterstützen. Wie sieht das im Hause Glattauer aus?

Glattauer: Auch wir unterstützen unsere zwei Kinder, obwohl wir uns auch sagen: Bitte, das ist jetzt aber nicht unser Job! Meine Frau ist etwa für Mathematik zuständig. Und ich habe zuletzt mit dem Siebenjährigen die zehn Lernwörter geübt, die die Lehrerin ins Mitteilungsheft geschrieben hat. Die meint das natürlich nur gut. Gleichzeitigt frage ich mich aber schon: Warum muss ich die Lernwörter meines Kindes kennen? Eigentlich wäre das doch Angelegenheit der Schule.

Leider hat Lukas schon wieder

Von Niki Glattauer.

Mit Illustrationen von Verena Hochleitner. Kremayr & Scheriau 2015 208 Seiten, brosch., € 24,-

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