Neue Alte Brücke: "Symbol für das besiegte Böse"

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Mostar, Sommer 2004: In den engen Gassen der Stadt hängen noch Postkarten vom 9. November 1993, als 400 Jahre gemeinsame Geschichte in den Gewässern der Neretva untergingen. Von den auf der Westseite des Flusses gelegenen Hügeln aus schossen kroatische Milizen die Alte Brücke ("Stari Most"), nach der die Hauptstadt der Herzegowina benannt ist, in Schutt und Asche. Wie kaum ein anderer militärischer Akt während des Bosnien-Krieges steht der Beschuss der dreißig Meter langen Brücke für den Untergang von Titos Vielvölkerstaat. Wo damals die Geschütze feuerten, steht heute ein riesiges, nachts beleuchtetes Kreuz - eine Provokation für die moslemischen Bewohner auf der Ostseite der Stadt.

Von 1566 bis 1993 bis 2004

Und auch mehr als ein Jahrzehnt nach dem Beschuss der Brücke, die der türkische Baumeister Hayrudin 1566 mit Geldern Sultan Suleymans des Prächtigen fertig stellte, ist das Sortiment der Souvenirhändler von Kriegskitsch bestimmt: Aus Patronenhülsen gebastelte Kugelschreiber, militärische Abzeichen sowie zahlreiche Postkarten, die Zeitlupenaufnahmen der zusammenstürzenden Steinkonstruktion zeigen, werden in den orientalisch anmutenden Geschäften an beiden Seiten des Ufers zum Verkauf angeboten.

Über eine provisorische Holzbrücke gelangen die Fußgänger über die türkis schimmernde Neretva - aber nur mehr bis zum Freitag dieser Woche. Denn ab 23. Juli soll die Alte Brücke nach mehr als vier Jahren Bauzeit endlich wieder begehbar sein.

"Hajrudin wäre stolz auf uns", sagt SnjezÇana HadzÇic´ und streicht mit der Hand über das sandstrahlgeglättete Mäuerchen, das die Ränder der nicht einmal fünf Meter breiten Brücke begrenzt. Getreu dem alten Vorbild wurde die neue "Alte Brücke" gebaut, versichert die mit mit dem Wiederaufbau betraute Diplomingenieurin der türkischen Baufirma ER-BU: Angefangen von den Steinen, die unweit der Hauptstadt aus demselben Steinbruch wie vor 450 Jahren geschlagen wurden, bis hin zur leichten Schräglage der Bogenbrücke hielt man sich an die Bauweise des großen Meisters.

"Egal, ob Sie sich den roten, bauxithaltigen Mörtel mit seinen porzellanartigen Eigenschaften anschauen oder die optisch perfekt auf die Ufer abgestimmte Konstruktion - jedes Detail zeigt, was für ein Genie Hajrudin war", ist HadzÇic´ begeistert.

"Schöner als das Original"

Von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt, trugen die Weltbank, der Europarat, die türkische, die italienische und weitere europäische Regierungen mehr als 14 Millionen US-Dollar zusammen, um das einstige Symbol der Freundschaft zwischen moslemischen und christlichen Bewohner wieder herzustellen.

Cisic´ RusÇmir, Direktor der "Old Bridge Rebuilding Project Coordination Unit", setzt trotz der anhaltenden politischen Auseinandersetzungen zwischen den einstigen Kriegsparteien auf die symbolische Wirkung des Wiederaufbaus: "Mit der neuen Brücke wollen wir der ganzen Welt zeigen, dass das Böse besiegt wurde", sagt der Mann, der während des Krieges als Bürgermeister an der Spitze des moslemischen Ostteils von Mostar stand. "Die neue Brücke ist noch schöner als das Original."

Markus Bickel/APA

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