Nicht nur den Staat zur Kassa bitten

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Die Sanierung von Umweltschäden kann Milliarden kosten. Weil das die Verursacher - so sie noch existieren - überfordert, muß meist der Staat einspringen. Im folgenden ein Vorschlag zu einer sinnvollen Neuregelung

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Die Sanierung von Umweltschäden kann Milliarden kosten. Weil das die Verursacher - so sie noch existieren - überfordert, muß meist der Staat einspringen. Im folgenden ein Vorschlag zu einer sinnvollen Neuregelung

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Die bisher größte Altlastensanierung Österreichs wurde vor wenigen Wochen abgeschlossen. Aus der Berger Deponie bei Weikersdorf wurden 800.000 Müll - darunter rund 500 Tonnen Chemikalien geborgen. Die unerfreuliche Nachricht dabei: die angelaufenen Kosten von rund einer Milliarde Schilling mußte der Bund übernehmen, sprich der Steuerzahler. Wären - etwa durch Ansteigen des Grundwasserspiegels - Schadstoffe in die Mitterndorfer Senke, dem größten Trinkwasser-Reservoir Europas, gelangt - der Schaden wäre ins Unermeßliche gestiegen, die Kosten zur Sanierung explodiert.

"Es ist nicht einzusehen, daß der Steuerzahler zum Schaden auch noch die Kosten tragen muß. Das kann so nicht weitergehen", kritisiert Johannes W. Pichler, Vorstand des Instituts für Europäische Rechtsgeschichte und Direktor des Österreichischen Instituts für Rechtspolitik am Internationalen Forschungszentrum in Salzburg, die Vorgehensweise bei der Berger-Deponie Katastrophe.

Die Frage sei, so Pichler, wer im Falle eines Umweltschadens letztendlich zahlen muß. Ein strengeres Umwelthaftungsrecht bringe außer uneinlösbaren Erwartungen und leeren Verheißungen wenig. Das sei die rechtspolitische Lehre aus dem Berger-Deponie-Fall. "Wenn man das Haftungsgesetz ständig verschärft, nützt das trotzdem nichts, wenn der Schaden in die Milliarden geht. Für größere Katastrophen zahlt immer der Steuerzahler, das ist wie das Amen im Gebet," erklärt Pichler.

Denn wenn der Verursacher des Schadens nicht festzustellen, verschwunden oder pleite ist, nützt auch das strengste Haftungsrecht nichts. Meist melde nämlich bei großer Schadenssumme, so Jurist Pichler, der Verantwortliche Konkurs an und der Steuerzahler werde erst recht wieder zur Kassa gebeten.

"Es geht nicht an, daß Gewinne privatisiert werden, wenn aber der Schaden da ist, wird sozialisiert. Aller Erfahrung nach waren es bislang so gut wie immer gewinnorientierte Betriebe, die Umweltgroßschäden verursacht haben."

Eine Haftpflichtversicherung für eingetretene Umweltschäden hat der Verursacher in der Regel keine, denn das Risiko ist meist nicht kalkulierbar. Daher schließen Versicherungen oft das Umweltschadenrisiko über Vertragesklauseln aus. Der Verursacher zahlt folglich selbst - oder solange er eben kann. Bei größeren Umweltschäden ist das meist der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Der "Rest" gesellt sich zu den uneinbringlichen Konkursforderungen. Oft ist der Verantwortliche, etwa bei Luftverschmutzung, nicht einmal feststellbar. Vielfach kann auch niemanden direkt eine Schuld zugesprochen werden. Pichler: "Wer wußte etwa vor 20 Jahren, daß Asbest krebserregend ist."

Um diese Belastungen für den Staat abzufangen, fordert der Jurist national organisierte Versicherungspools oder Fonds. "Wer Umweltschäden auslösen kann, hat sie zu versichern." Dabei sollen Betriebe gestaffelt nach Risikopotential in einen Versicherungstopf einzahlen. Die USA und viele andere europäische Länder haben bereits so ein Modell, etwa Dänemark, Frankreich, Finnland, Holland, Italien, Norwegen und Schweden. Daß dieses System auch in Österreich funktionieren und den Steuerzahler entlasten würde, davon ist Pichler überzeugt.

Ein Umweltfonds springt ein In den genannten Ländern werden Umweltschäden dabei in folgenden Fällen von den Fonds beglichen: * Wenn der Schadensverursacher nicht feststellbar ist; * wenn auf Grund mangelnder Kausalität oder Gründen der Verjährung niemand zur Schadenswiedergutmachung herangezogen werden kann und * wenn der Schadensverursacher insolvent ist.

Der Schadensverursacher müsse dabei aber in jedem Fall bis zur Leistungsgrenze haften und könne sich daher nicht "freiversichern". Alles darüber hinaus übernimmt der Pool. Vorbeugende Maßnahmen zur Katastrophenvermeidung wirken zum Teil prämienmindernd.

Zwar gibt es in Österreich für Altschäden den Altlastensanierungsfonds, aber eben nur für Altschäden und auch hier muß der Staat jährlich kräftig draufzahlen, rund vier Milliarden Schilling pro Jahr, schätzt Pichler.

Wenn Umweltschäden schon nicht verhindert werden können, dann sollten sie wenigstens durch Versicherungspools rasch behoben werden, fordert der Jurist. Denn ähnliche Fälle wie die Berger Deponie sind in Österreich zahlreich.

Die Arbeiterkammer beziffert die vorläufigen Kosten für die Sanierung von Altlasten mit deutlich über zehn Milliarden Schilling, andere Experten gehen sogar vom Zehnfachen aus. Der nächste Sanierungsfall, die Fischer Deponie bei Wiener Neustadt, wird ebenfalls für den Steuerzahler nicht gerade billig werden. Die Räumungskosten werden auf 1,5 Milliarden Schilling geschätzt, bezahlt von der Republik Österreich.

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