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Sigmund Freuds Moses-Theorie

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DER MANN MOSES UND DIE MONOTHEISTISCHE RELIGION. DREI ABHANDLUNGEN. Von Sigmund Freud, Suhrkamp-Verlag, Frankfurt, 1064, Suhrkamp-Blbllothek, B. 131, 176 Seiten, Preis 4.80 DM.

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DER MANN MOSES UND DIE MONOTHEISTISCHE RELIGION. DREI ABHANDLUNGEN. Von Sigmund Freud, Suhrkamp-Verlag, Frankfurt, 1064, Suhrkamp-Blbllothek, B. 131, 176 Seiten, Preis 4.80 DM.

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Sigmund Freud setzte sich bereits 1934, angesichts der nationalsozialistischen Judenverfolgungen in Deutschland, mit der Frage auseinander, „wie der Jude geworden ist und warum er sich diesen unsterblichen Haß zugezogen hat“. Er fand dafür die Formel „Moses hat die Juden geschaffen“ und nannte seine Arbeit „Der Mann Moses, ein historischer Roman“. Er fand allerdings bald, daß er historische Romane besser Thomas Mann überließe (der dies auch für den Moses in der Novelle „Das Gesetz“ besorgte). Die endgültige Fassung „Der Mann Moses und die monotheistische Religion“ — 1939, in Freuds Todesjahr, erschienen — ist seine letzte schöpferische Leistung und ein höchst bemerkenswertes Buch.

Nachdem er in der „Zukunft einer Illusion“ (1927) Wesen und Zukunft der Religion, also ihre psychologische Wahrheit, „metapsychologisch“ deutete, geht es ihm im „Moses“ um die historische Wahrheit in der Religion, speziell um die Ursprünge der jüdischen Religion und die Genese des Monotheismus. Er führt dabei Gedankengänge weiter, die er bereits 1912 in „Totem und Tabu“ entwickelt hatte.

Freuds Moses-Theorie entspricht seiner Vorliebe für das Dualistische: Für ihn wurden in der sagenhaften Gestalt des Moses eigentlich zwei Männer verschmolzen: einerseits ein Ägypter, der sich zum politischen Führer, Gesetzgeber und Erzieher der in Ägypten ansässigen Juden machte und ihnen seine monotheistische Aton-Religion des Pharao Ikhnaton aufzwang und der dafür von ihnen ermordet wurde; anderseits ein midianitischer Priester, der Generationen später die Juden dem blutrünstigen Vulkangott Jahwe zuführte, wobei erst nach langen Kämpfen die Aton-Religion die Vorherrschaft über die Jahwe-Religion gewann. Also zwei Gottesnamen, zwei Religionsstiftungen und zwei Religionsstifter in einem Namen.

Freuds psychologische Folgerungen aus diesen historischen Konstruktionen sind verblüffend, für den psychoanalytisch Geschulten durchaus einsichtig, wenngleich sehr anfechtbar, sogar für Psychologen, sicher für die theologische Exegese — und ein meisterhaftes Zeugnis dafür, daß selbst ein atheistischer Denker wie er seinem Judentum nicht entfliehen kann.

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