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Das Wiener Schauspielhaus stellte Doderers "Strudlhofstiege" auf die Bühne.

Letzte Woche ist die erste Wiener Theater-Soap zu Ende gegangen. Unter die euphorische Stimmung mischte sich Wehmut, immerhin hatte die zwölfteilige Theaterserie "Die Strudlhofstiege" innerhalb der Zuschauergemeinde Kontinuität und Gemeinschaftsgefühl geweckt. Andreas Beck, seit Herbst 2007 Leiter des Schauspielhauses, hatte eines erreicht: dem Haus ein neues, zeitgemäßes Image zu verleihen und das Publikum durch Identifikationsangebote ans Schauspielhaus zu binden.

Drei Monate hindurch traf man sich wöchentlich im Schauspielhaus, wo jeweils von Mittwoch bis Samstag ein Teil von Heimito von Doderers "Strudlhofstiege" - immer von einem anderen Regisseur inszeniert - zu sehen war. Ganz wie in den Telenovelas startete jede neue Inszenierung mit einem kurzen Rückblick unter dem Motto "Was bisher geschah". Schon die Titelmusik ("Das Haus am Eaton Place") versprach neue Einblicke in die Familiengeschichte der Stangelers, Pastrés und rundherum, also in die bürgerliche Wiener Gesellschaft Anfang des 20. Jahrhunderts. Entsprechend den Regeln wurde 45 Minuten gespielt und am Ende - ausklingend mit der legendären Melodie von "Falcon Crest" und natürlich einem Cliffhanger - kündigte der Sprecher aus dem Off (Juergen Maurer mit herrlich-sonorer Stimme) die kommende Folge an.

Die Neugierde, was wohl mit den Hauptfiguren Editha Pastré, René Stangeler, Thea Rokitzer und der Titelfigur Melzer theatralisch angestellt werden würde, war stets auf höchstem Level und sorgte zwölf Wochen für ausverkaufte Vorstellungen. Gespielt wurde in der in Rosa gehaltenen und mit Rüschentapeten versehenen Schneiderei, durch die Kammer-Atmosphäre stellte sich eine Art von Intimität ein.

Becks Entscheidung für diese in Wien völlig neue Form, Theater zu machen (in Berlin reüssieren Projekte solcher Art vor allem in der Off-Szene seit vielen Jahren), erwies sich als kluger Schachzug. Zwölf Regisseure (teils bekannte wie der Filmregisseur Florian Flicker, die meisten jedoch noch in Startlöchern ihrer Karriere) konnten zeigen, was ihnen zu 75 Seiten Doderer dramaturgisch und inszenatorisch einfällt, wobei freilich die handlungsintensiveren Textstellen Startvorteil boten.

Dennoch konnte der vielseitige Umgang mit der Vorlage präsentiert werden, so zeigte etwa Hauke Lanz seine außerordentliche Begabung, Textvorlagen in szenische Vorgänge umzusetzen. Ihm gelang es exzellent, die Figuren aus ihrer Literarizität herauszuholen und sie als eigenständige theatrale Figuren zu gestalten. Auch Lukas Bangerter, Alexander Charim und Daniela Kranz (die das Gesamtprojekt betreute) zeigten ihr Können bezüglich Dialogführung und Rhythmusgefühl, während sich andere, wie etwa Flicker, auf den Autor und dessen private Beziehungen, etwa zu Dorothea Zeemann, konzentrierten.

Die vier Schauspieler Angela Ascher, Marion Reiser, Christian Dolezal und Johannes Zeiler bewiesen enorme Spielfreude und konnten ihr Durchhaltevermögen und ihre Wandlungsfähigkeit unter Beweis stellen - immerhin waren neben den vier Fixrollen noch weitere zahlreiche Personen der Doderer'schen Gesellschaft darzustellen.

Das Projekt "Strudlhofstiege" ist erfolgreich zu Ende gegangen, mal sehen, was sich Beck als Fortsetzung einfallen lässt.

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