Sprache Empfinden

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friederiKe MaYrÖcKer webt in ihr neueS buch die welt clara und rObert SchuMannS.

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friederiKe MaYrÖcKer webt in ihr neueS buch die welt clara und rObert SchuMannS.

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Die Schaffenskraft der 85-jährigen Literatin Friederike Mayröcker ist ungebrochen. Ihr Reich, in dem sie mit traumwandlerischer Sicherheit zu Hause ist, ist die Sprache. In den letzten Jahren ist damit eine immer eindringlichere konsequente Radikalisierung ihrer Dichtung verbunden: "man musz die Sprache empfinden, hier und da ein Gewicht darauflegen oder wegnehmen wie Apothekerwaage, so musz es stimmen, so musz es tönen, das Panorama meines ganzen Lebens vor mir ausgebreitet."

Ihr soeben bei Suhrkamp erschienenes Bändchen "vom Umhalsen der Sperlingswand, oder 1 Schumannwahnsinn" - bereits der Titel zeigt die typisch Mayröcker'sche Signatur - eröffnet wieder eine neu strahlende poetische Landschaft. Als Schattenumrisse und "transparente Hüllen", ausgespart auf dem Familienfoto, tauchen Clara und Robert Schumann auf, verschwimmen mit dem Wahrnehmungshorizont der Autorin, weil die Geschichte der beiden Künstler in eine magisch flirrende Traumwelt diffundiert. Räume und Zeiten gleiten ineinander, lösen sich auf und verschmelzen zu einem neuen, metaphorisch unterfütterten Imaginationsfeld, in dem auch Personen austauschbar werden.

Explosion des Frühlings

Da ist die Nervenklinik von Endenich, in der der "moribunde Komponist" untergebracht ist und an seinen Noten schreibt, wohin ihm Clara, die "Windsbraut", Bougainvilles bringt; diese "verrückte Liebe" und dann das Wiener Café Drechsler, wo man wunderbar aus einem großen Fenster auf "Blumen Momente von gegenüber starren" kann. Leitmotivartig schiebt sich der neue Frühling mitten in das urbane Leben, die vibrierende Natur als "Frühlingserschrecken":"die Explosion des Frühlings, sein Weben und Erheben und dasz die Sträucher und Bäume =Haine über Nacht übergeworfen hatten diesen Flor lichtgrün und Schleier". Es geht um Liebe und Natur, um den Spagat der Gefühle: "eigentlich alles zum Lachen dieser Kitzel des Lebens, und so nah dem Weinen verbunden". Mayröcker knüpft die Maschen ihres Sprachteppichs nach surrealistischen Mustern mit Bildern von magnetisierender Poesie.

Robert und Clara Schumann, Daguerreotypie von Johann Anton Völlner, Hamburg, März 1850

vom Umhalsen der Sperlingswand, oder 1 Schumannswahnsinn Von Friederike Mayröcker Suhrkamp 2011 41 S., kart., € 15,40

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