"Nymph()maniac“ - "Nymph()maniac“ - © Foto: FILMLADEN

Stellan Skarsgård: "Lars von Trier ist ein sehr sensibler Charakter“

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Der schwedische Star Stellan Skarsgård über die Zusammenarbeit mit Lars von Trier in dessen neuen Film "Nymph()maniac“.

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Der schwedische Star Stellan Skarsgård über die Zusammenarbeit mit Lars von Trier in dessen neuen Film "Nymph()maniac“.

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Er spielt den einzigen "Asexuellen“ im extrem übersexualisierten Setting von "Nymph()maniac“. Seit "Breaking The Waves“ (1996) ist der schwedische Hollywoodstar Stellan Skarsgård, 62, auch ein Lars-von-Trier-Mime. Weitere Stationen der überaus fruchtbaren Zusammenarbeit waren: "Dancer in the Dark“ (2000), Dogville“ (2003) und Melancholia“ (2011). In "Nymph()maniac“, von Triers neuem Film, spielt Skarsgård den jungfräulichen Seligman, dem Protagonistin Joe (Charlotte Gainsbourg) ihre sexbesessene Lebensgeschichte erzählt.

Die FURCHE: Mr. Skarsgård, haben Sie sich bei den Dreharbeiten zu "Nymphomaniac“ Gedanken darüber gemacht, welche Bedeutung die Figuren im Film haben?
Stellan Skarsgård: Mit Lars ist es sehr untheoretisch. Wenn man mit ihm dreht, gibt es keine Seminare über die Back-Story der Figuren, sondern man bekommt ein Drehbuch und dreht es. Fertig.

Die FURCHE: Wenn es aber um Themen wie Religion in dem Film geht, spricht man da gar nicht drüber?
Skarsgård: Wir sprechen schon über Religion oder Politik, aber niemals basierend auf den Stoffen, an denen wir arbeiten.

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Die FURCHE: Hat Lars von Trier früher anders gearbeitet?
Skarsgård: In seinen ersten Filmen wusste Lars nicht, was er mit den Schauspielern eigentlich anfangen sollte. Also hat er alles überinszeniert und schon im Vorfeld jede Bewegung seiner Schauspieler festgelegt. "Europa“ war zum Beispiel ein technisch hervorragend gemachter Film, aber er war menschlich tot. Das hat Lars bald gemerkt und die Schauspieler losgelassen, etwa bei "Breaking the Waves“. Die Freiheit, die er plötzlich gab, brachten seine zuweilen sehr stark konstruierten Storys erst zum Leben. Dann hat Lars seine Werkzeuge immer weiter reduziert, bis hin zu "Dogville“ und "Manderlay“, die ja grundsätzlich nur mehr einen Schauspieler und Dialog enthalten, der von einer Kamera aufgezeichnet wird. Bei "Nymph()maniac“ hatten wir dann nicht bloß ein Stativ, sondern sogar Fahrtaufnahmen. Mittlerweile hat Lars so ein gutes Gespür dafür entwickelt, das Richtige aus seinen Schauspielern herauszuholen, sodass mich seine Werkzeuge nicht mehr erschrecken.

Seligman und Joe: Beide Figuren im Film repräsentieren Teile von Lars von Trier. Er ist der Nerd, aber zugleich auch die verletzliche Frau.

Die FURCHE: Ihre Figur Seligman ist die einzige im Film, die mysteriös bleibt - und die auch nicht zum Zug kommt, sexuell gesehen …
Skarsgård: Ich habe soeben "Cinderella“ für Disney synchronisiert, also ich bin es gewohnt, keinerlei Action zu haben … Ich möchte meine Action lieber zu Hause haben, wo mich keine Kamera beobachtet. Meine Idee von Seligman ist die: Der Mann ist stolz darauf, sehr viel zu wissen - allerdings weiß er das alles nur aus Büchern, nicht aus Lebenserfahrung. Also eigentlich weiß er nichts. Joe öfffnet ihm neue Horizonte. In ihm bewegt sich etwas, sogar eine kleine Flamme von Sexualität zeichnet sich ab. Beide Figuren im Film repräsentieren Teile von Lars von Trier. Er ist der Nerd, aber zugleich auch die verletzliche Frau. Alles, was diese beiden Figuren zueinander sagen, entspringt Lars‘‚ Gedankenwelt.

Die FURCHE: Hat sich das Drehen von Filmen eigentlich verändert, seit man überwiegend digital dreht? Hat Lars von Trier seine Arbeitsweise angepasst?
Skarsgård: Man ist heute flexibler am Set, denn die meisten Produktionen entstehen ja auf Video, das heißt, man kann Szenen ohne große Kosten wiederholen. Ich fragte Lars von Trier, was der Vorteil von Digital ist. Lars sagte: Es gibt nichts, das Film leisten kann, was ich nicht auch in der Postproduktion erledigen könnte. Aber der Arbeitsprozess ist anders: denn man verschiebt Entscheidungen. Es ist wie der Unterschied, auf einer Schreibmaschine zu schreiben oder auf einem Computer. Auf der Schreibmaschine denkt man zuerst nach, bevor man etwas hinschreibt, bei einem Computer schreibt man einfach drauflos und bearbeitet es hinterher.

Stellan Skarsgård - Stellan Skarsgård - © Foto: APA/Jörg Carstensen
© Foto: APA/Jörg Carstensen

Stellan Skarsgård

Die FURCHE: Seit seinem "Nazi”-Sager in Cannes 2011 spricht Lars von Trier nicht mehr mit Medien.
Skarsgård: Ich verstehe das, denn ich war in Cannes damals dabei. Und es war ein großes Ärgernis, wie es passierte. Denn Lars saß in einer Pressekonferenz voller Journalisten, die ihn mochten, und die wussten, dass er kein Nazi war. Als er seinen Nazi-Witz machte und etwas übers Ziel hinausschoss, wusste jeder, dass es ein Witz sein sollte. Die Leute lachten ja sogar. Und am nächsten Tag heißt es: "Ich bin ein Nazi“, auf dem Titelblatt jeder Zeitung dieser Erde. Seine Kinder gingen zur Schule, und alle hänselten sie: "Euer Vater ist ein Nazi“. Das ist fürchterlich.

Die FURCHE: Wie haben Sie das miterlebt?
Skarsgård: Es war unbeschreiblich. Lars war sehr verletzt. Er ist ein sehr sensibler Charakter. Deshalb kann er nicht mehr mit der Presse sprechen. Denn er weiß: Er sagt immer, was er denkt. Und er weiß auch: Sie würden es nicht so verstehen, wie er es meint.
Und auch das Cannes-Festival selbst forderte Lars auf, sich zu entschuldigen. Was er auch tat. Aber dann warfen sie ihn trotzdem raus.

Matthias Greuling

Der Autor ist freier Filmjournalist.

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