Terror in der Sackgasse

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Ästhetisiert und nivelliert: Kritische Anmerkungen zur RAF-Ausstellung in Graz.

Um es gleich vorweg zu nehmen: das Aufregendste an der raf-Ausstellung, die nach dem Auftakt in den "Kunst-Werken" Berlin nun bis Ende August in der "Neuen Galerie" in Graz zu sehen ist, waren die von den Initiatoren erhofften und einkalkulierten Diskussionen im Vorfeld. Hier gab es eine Reihe substanzieller Ansätze zu einer differenzierten Auseinandersetzung mit der Thematik. Etwas, was man von der Ausstellung selbst leider nicht behaupten kann.

Medien, nicht Moral

Das Gezeigte weist eine Fülle von Brüchen auf, die durch das niedrig angesetzte Anspruchsniveau der Ausstellungsmacher nur halbherzig verdeckt werden. Bei der Berliner Eröffnungspressekonferenz hatte Hauptkurator Klaus Biesenbach erklärt, dass die Ausstellung nicht politisch, sondern als reine Beschäftigung mit Kunst zu verstehen sei. Das Interesse ziele darauf ab, wie die raf in den zeitgenössischen Medien rezipiert worden sei und wie Künstlerinnen und Künstler - als "Betrachter zweiter Ordnung" (Peter Weibel) - mit diesem Material gearbeitet hätten. Kurz: es gehe um Medien, nicht um Moral.

Nun, derart naiv ist einem emotional hoch aufgeladenen Phänomen wie dem raf-Terrorismus wohl kaum beizukommen, geschweige denn Einsicht abzutrotzen. Im Kontext der Ausstellung wird dieses Ungenügen an keiner anderen Arbeit so deutlich wie an Hans-Peter Feldmanns Fotozyklus "Die Toten" aus dem Jahr 1998. Der Künstler hat veröffentlichte Bilder aller Personen gesammelt und aneinander gereiht, die zwischen 1967 und 1993 im Zusammenhang mit dem bundesdeutschen Terrorismus ums Leben gekommen sind. Unabhängig davon, ob es Täter oder Opfer, Passanten oder Geiseln waren.

Der Tod hobelt alle gleich, Täter und Opfer - ach ja, und er planiert die Moral, um die es hier angeblich aber gar nicht geht, gleich mit. Hier steht drängt sich eine jener Fragen auf, denen sich die Ausstellung nicht gestellt hat: Wo endet die ästhetische Autonomie? Auch in anderen Zusammenhängen hat das Schweigen Methode. Das gilt schon für die Ouvertüre der Schau, eine Chronologie des raf-Terrors in 29 Daten, beginnend mit dem 2. Juni 1967 (Tod Benno Ohnesorgs), endend mit dem 20. April 1998 (Auflösungserklärung der raf). Aus den präsentierten medialen Rohdaten der führenden Print- und Fernsehmedien der Bundesrepublik (z.B. Bild, aber auch faz und Süddeutsche) "kann sich der Betrachter ein äußerst differenziertes, vielschichtiges eigenes Bild machen", wie es im Ausstellungskatalog heißt. Was hier als Gewinn angepriesen wird, ist ein doppelt fauler Kompromiss. Didaktisch sowieso, weil nichts von diesem Material aufbereitet und kommentiert wurde. Aber auch die Datenbasis selbst ist nicht ausgewogen, denn es fehlt die Berichterstattung über die raf in den "linken" Leitmedien wie der taz. Auf der daraus resultierenden Schräglage der medialen Aussagen geraten die Bewertungsparameter unweigerlich ins Rutschen, Täter werden leicht zu Gejagten.

Das Ausstellungs-Konzept geht jedenfalls nicht auf. Viele Besucher "zippen" sich durch die Sensationsmeldungen vergangener Tage und bleiben im Gewirr der Meldungen und Meinungen hängen. Nur wenige bringen anschließend noch die Reserven auf, um sich auch die z.T. hermetischen Kunstwerke anzusehen, die dieses Text- und Bildmaterial verarbeiten. Symptomatisch für diesen kaum zu bewältigenden Wahrnehmungswechsel von frontal auf reflexiv ist Gerhard Richters "Atlas Tafel 470" von 1989, die, so karg sie in der Ausstellung präsentiert wird, völlig unverständlich bleiben muss.

Ästhetischer Leerlauf

Schade ist, dass ein durch die Arbeit "avantgarde" (2000/2004) von Theo Lighart aufgelegter Ball nicht aufgenommen und "gespielt" wurde. Ausgehend von Hans Magnus Enzensbergers "Aporien der Avantgarde" von 1962 hätte sich hier jener programmatisch rote Faden entspinnen können, der die Politisierung und Re-Ästhetisierung der Kunsttheorie durch die 1960er und 1970er Jahre aufzeigt. Das hätte die beiden isolierten Blöcke der Ausstellung - hier Medien, dort Kunst - subtil vermittelt und woanders hingeführt, als dorthin, wo sie jetzt sind: in der Grazer Sackgasse.

Zur Vorstellung des Terrors:

Die RAF-Ausstellung

Neue Galerie, Sackstr. 16, 8010 Graz

www.neuegalerie.at

Bis 28. 8. Di-So 10-18, Do 10-20 Uhr

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