Der Krieg kommt ins Haus

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Kunst und Krieg: Gedanken über eine ambivalente Beziehung anlässlich einer Ausstellung in der Kunsthalle Wien.

Bilder dokumentieren Krieg. Bilder idealisieren Krieg. Bilder kritisieren Krieg. Heute, wo Kriege auch medial ausgefochten werden, muss man hinzufügen: Bilder bestimmen den Verlauf eines Krieges entscheidend mit. So bezeichnete der Philosoph und Medientheoretiker Paul Virilio die Übertragung des Krieges in Echtzeit als "vierte Front". Durch die Ereignisse des 11. September, die folgenden Militärschläge der USA gegen Afghanistan und den Irak hat die Jahrtausende alte Beziehung zwischen Kunst und Krieg erneut an Aktualität gewonnen. Dies zeigt allein die Tatsache, dass in Österreich heuer bereits die zweite Ausstellung dazu läuft. Im Frühjahr hat die Neue Galerie in Graz das "Kulturhauptstadtjahr 2003" mit der Schau "M_Ars" eröffnet - jetzt widmet sich die Kunsthalle Wien demselben Themenkomplex unter dem Titel "Attack!".

Sowohl die Grazer wie auch die Wiener Schau in der Kunsthalle wollten sich keineswegs als Antikriegsausstellungen verstanden wissen. An eine Verbesserung der Menschheit durch Kunst glaubt hier niemand mehr. Vielmehr interessiert besonders der mediale Aspekt des Krieges. Welche Rolle spielen Fernsehen und Internet in der gegenwärtigen Kriegsführung, fragen sich Kuratoren und Künstler.

Picassos Guernica verhängt

Wie bedeutend jedoch Bilder für ein Kriegsgeschehen und umgekehrt Kriege für die Evokation von neuen Bildern sind, lässt sich durch ein aktuelles Ereignis belegen. Als Colin Powell am 5. Februar dieses Jahres eine Rede vor dem Sicherheitsrat hielt, um angebliche Beweise für die Verfehlungen Saddam Husseins zu bringen, wurde die hinter ihm angebrachte Tapisserie mit einem blauen Tuch verhängt. Es handelt sich dabei um eine textile Kopie von Picassos "Guernica" aus dem Jahr 1937. Picassos kubistisches Meisterwerk, das in Reaktion auf die Zerstörung der baskischen Stadt durch die deutschen Luftangriffe entstand, gilt als Antikriegs-Ikone des 20. Jahrhunderts schlechthin. Daher befand es der Sicherheitsrat nicht für angebracht, Powell vor diesem Teppich sprechen zu lassen. Offiziell lautete jedoch die Begründung, er hätte die Multimedia-Präsentation Powells gestört.

Das Charakteristische und Herausragende an "Guernica" ist, dass hier Thema und Form Hand in Hand gehen. Die kubistische Zerstückelung der Figur korreliert mit der realen Zerstörung der Menschen durch die Bombenangriffe der Nationalsozialisten. "Guernica" steht in einer langen Tradition der Anprangerung des Krieges durch Künstler. Bereits 1633 hat der spätmanieristische Zeichner Jacques Callot in seinem Zyklus "Die Schrecken des Krieges" die Gräueltaten des Dreißigjährigen Krieges drastisch aufgezeigt und somit vorbild- haft für nachfolgende Künstler gewirkt. Etwa für Francisco de Goya - einem der größten Antikriegskünstler der Kunstgeschichte. In der Radierungsfolge "Desastres de la Guerra" (1810-1820) schildert Goya Leid, Hunger, Epidemien als Folge des Krieges. Er stellt nicht dar, wer den Krieg verursacht hat. Vielmehr richtet er den Blick auf die Auswirkungen des Krieges an sich. Aber: Goya weist deutlich auf die gesellschaftlichen Unterschiede hin. Kriege treffen besonders die Armen und Schwachen.

Krieg ist aus der Perspektive der Opfer nichts anderes als grausam. Dies haben besonders die Künstler des frühen 20. Jahrhunderts während und nach dem Ersten Weltkrieg mit bildnerischen Mitteln zur Sprache gebracht. Wenn Kunst überhaupt annähernd die furchtbare Wirklichkeit des Krieges auf Bildern festhalten kann, dann ist es Otto Dix, George Grosz und Käthe Kollwitz zumindest ansatzweise gelungen.

Die Geschichte von Kunst und Krieg erschöpft sich keineswegs in Antikriegsdarstellungen. Es gibt noch eine ganz andere Seite der Medaille. Künstler haben seit jeher Kriege verherrlicht - man denke etwa an die unzähligen historischen Sieges- und Schlachtenbilder, vor allem an die den Krieg idealisierenden Statements der Avantgardebewegungen des 20. Jahrhunderts. Nur durch die Zerstörung des Alten könne etwas Neues entstehen, lautete die Devise.

Noch nicht grausam genug

So verkündete der Rädelsführer der Futuristen Filippo Tommaso Marinetti 1909: "Wir wollen den Krieg verherrlichen - diese einzige Hygiene der Welt - den Militarismus, den Patriotismus, die Vernichtungstat der Anarchisten, die schönen Ideen, für die man stirbt." Ähnlich radikal formulierte dies der Dadaist Richard Huelsenbeck noch 1918: "Wir waren für den Krieg, und der Dadaismus ist heute noch für den Krieg. Die Dinge müssen sich stoßen: es geht noch lange nicht grausam genug zu."

Zurück zur Gegenwart und zu Powells Rede. Wie sieht es heute mit dem Verhältnis von Kunst und Krieg aus? Die symbolische Auslöschung dieses wohl letzten großen Antikriegsbildes der Geschichte durch Verhängung warf zugleich die Frage nach den neuen künstlerischen Antworten auf Kriegsgräuel auf. Wo blei- ben die "Guernicas" der Gegenwart? Erlaubt die Sprache der Gegenwartskunst überhaupt derart drastische Bilder? Hätten Künstler nicht längst auf die Massenmorde in Bosnien, auf die "Operation Wüstensturm", auf die anhaltende Nahost-Krise reagieren müssen?

Es gibt künstlerische Auseinandersetzungen mit den Kriegen der letzten Jahrzehnte. Nur sind die Antworten nicht immer befriedigend. Dies liegt vor allem daran, dass es meist äußerst subtile Interventionen sind, die Emotionalität wenn möglich vermeiden. Solche, die so viel wie möglich offen lassen wollen. Diese Mehrdeutigkeit eines Kunstwerks ist an sich ja zeitgemäß und begrüßenswert. Die spürbare Zurück- haltung und Angst vor großen Aussagen wirkt angesichts eines derart existenziellen Ereignisses wie Krieg aber manchmal substanzlos. Eines solchen Eindrucks kann man sich mitunter auch beim Gang durch die Schau "Attack!" nicht erwehren. Mitunter. Denn es finden sich hier auch sehr interessante Positionen.

Krieg und Alltagsidylle

Fast schon eine Klassikerin ist die Amerikanerin Martha Rosler. Bereits während des Vietnamkriegs schuf sie eine Serie von Fotomontagen mit dem Titel "Der Krieg kommt ins Haus: Schöner Wohnen". Zeitungsfotos von vietnamesischen Kriegsopfern hat die Künstlerin in Bilder von amerikanischen Wohlstands-Interieurs montiert. Die Gräuel des Krieges und die bürgerlichen Alltagsidyllen überlagern einander.

Die Kunsthalle präsentiert eine spätere Arbeit Roslers aus dem Jahr 1993 mit dem Titel "It Lingers" (Es geht weiter). Bilder aus verschiedenen Kriegen (Zweiter Weltkrieg, Golfkrieg, Krieg im ehemaligen Jugoslawien) hat die Künstlerin in dieser Montage zueinander in Beziehung gesetzt. Rosler, die zugleich eine der wichtigsten Theoretikerinnen ist, thematisiert die Problematik einer solchen künstlerischen Arbeit selbst, indem sie sich fragt, ob Kriegsgegner einen von den selben Bildern getragenen "Gegentext" herstellen können.

Ebenfalls mit der Darstellung von Krieg in den Printmedien befasst sich Wang Du, Chinese mit Wohnsitz Paris. Eine riesige, mehrteilige Rauminstallation einer Militärparade durchzieht den Hauptraum der Kunsthalle. Die Motive für seine bunten Kunststoff-Skulpturen entnahm Wang Du Zeitschriften. Durch die Übertragung der Bildausschnitte ins Dreidimensionale erreicht er fast spielerisch ein Bewusstmachen der Absurdität solcher Paraden und deren medialer Darstellung.

Hula-Hoop mit Stacheldraht

Ganz anders berührt ein Video gleich zu Beginn der Schau. Es thematisiert in einer subjektiven, berührenden Bildsprache implizit den Nahost-Konflikt. Vor allem geht es um gewaltsame Grenzziehung und die damit verbundenen Verletzungen. Gemacht hat das Video die in Israel geborene Sigalit Landau. In "Barbed Hula" erklärt die Künstlerin - ganz in der Tradition der Aktionskünstler der 60er Jahre - ihren eigenen Körper zum Schauplatz des Krieges. Mit einem Hula-Hoop-Reifen aus Stacheldraht steht Landau am Strand südlich von Tel Aviv. Im Hintergrund die Brandung. Die kreisförmige Körper-Bewegung, die ständige Selbst-Verletzung vor der davon unberührt bleibenden Natur schockieren mehr als so manche andere Arbeit, die zwar den Krieg und damit assoziierte Details wie Uniformen und Waffen direkt zum Thema hat, zugleich aber unverbindlich bleiben will.

Attack! Kunst und Krieg in den Zeiten der Medien

bis 21. September 2003 in der Kunsthalle Wien, Museumsplatz 1, 1070 Wien, täglich 10-19 Uhr, Donnerstag 10-22 Uhr.

www.KUNSTHALLEwien.at

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