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Vom 24. November bis zum 12. Dezember findet in Wien das diesjährige Jüdische Filmfestival statt.

Mensch: Im Jiddischen bedeutet das so viel wie eine gute, ehrenhafte Person. "Kämm dich, binde dir eine Krawatte um, schau den Leuten in die Augen und sei ein Mensch." Diese Weisheit gab der Großvater dem kleinen Sam mit auf den Lebensweg. Allerdings hat der Enkel den Rat nicht ganz beherzigt: Er wurde Tresorknacker. Nun plant Sam seinen letzten großen Coup, danach will er sich zur Ruhe setzten, sich um seinen neunjährigen Sohn kümmern und ganz Mensch werden. Doch der Überfall geht schief und bald steht Sam mit dem Rücken zur Wand. Der berührende französische Streifen "Mensch" (2009, Regie: Steve Suissa) ist der Eröffnungsfilm des diesjährigen Jüdischen Filmfestivals Wien. Gleichzeitig ist er der perfekte Einstieg in einen der beiden Schwerpunkte des heurigen Festivals: Unter dem Motto "Keine Morde am Schabbat: Die Kosher Nostra" wird eine Reihe jüdischer Gangsterfilme gezeigt.

"Kosher Nostra" ist eine ursprünglich scherzhafte Bezeichnung für jüdische Gangster in den USA der 1920er und 1930er Jahre, abgeleitet vom Namen der sizilianischen Mafia. Dass es sich bei den legendär gewordenen Verbrechern jener Zeit in erster Linie um Italoamerikaner gehandelt habe, ist nämlich ein Irrtum. Alkoholschmuggel, Glücksspiel und Auftragsmorde waren nicht nur eine Domäne von Al Capone, Frank Costello und Konsorten, sondern auch von Männern mit jüdischem Migrationshintergrund.

Jüdische Gangsterfilme

Zu den bekanntesten Vertretern der "Kosher Nostra" gehören Meyer Lansky, Dutch Schultz oder Bugsy Siegel, dessen Eltern aus der österreichisch-ungarischen Monarchie zugewandert waren. Einige bekannte Filme, die in jener Epoche spielen, stehen am Programm des Jüdischen Filmfestivals, etwa "Bugsy" (1991, Regie: Barry Levinson), "Little Odessa" (1994, Regie: James Gray) oder das Epos "Once upon a time in America" (1984), wo mit Robert De Niro in der Hauptrolle die Geschichte einer jüdischen Bande erzählt wird. Sergio Leones letzter Film war zuletzt vor 25 Jahren in Österreich zu sehen.

Die Veranstalter fassen den Begriff "Kosher Nostra" jedoch weiter und beziehen auch Kriminalität auf dem europäischen Kontinent oder in der Gegenwart mit ein. Wie auch "Mensch" spielt "Les cinq doigts de la main" (2010, Regie: Alexandre Arcady) im Frankreich von heute. Darin geht es um eine jüdische Familie, die zusammenrückt, als einer der Söhne in kriminelle Machenschaften verstrickt wird. Der russische Stummfilm "Benya Krik" (1926, Regie: Wladimir Wilner) schildert die Umtriebe einer jüdischen Schmuggler- und Gangsterbande in Odessa. Die historischen Bilder aus Moldajanka, dem jüdischen Viertel der Hafenstadt, stellen eine echte Rarität dar. Der Film war unmittelbar nach seiner Premiere von den Sowjetbehörden verboten worden.

Der zweite Schwerpunkt des Festivals, das im Votiv- und im De-France-Kino läuft, widmet sich dem sephardischen Kino. Als Sepharden werden Juden mit Wurzeln auf der iberischen Halbinsel bezeichnet. Mit der 1492 abgeschlossenen "Reconquista", der Rückeroberung Spaniens durch christliche Herrscher, wurden die Sepharden vertrieben und ließen sich in Nordafrika und auf dem Gebiet von Bulgarien, England, Griechenland, Italien, Deutschland und den Niederlanden nieder. Gegenüber den aus Zentral- und Osteuropa stammenden Aschkenasen geraten die orientalischen Juden oft ins Hintertreffen.

Sephardisches Kino

"Die Sepharden werden oft von oben herab betrachtet und intellektuell nicht ganz ernst genommen", so Festivalleiterin Monika Kaczek. Filme aus Frankreich, Israel und Marokko setzen sich mit den orientalischen Juden auseinander.

"Wir wollen ein vielfältiges Programm bieten, in dem Komödien, ernste Filme und Dokumentarfilme vorkommen", betont Monika Kaczek. Das von ihrem Mann Frédéric-Gérard Kaczek 1991 gegründete und heute von beiden geleitete Festival versteht sich als Ergänzung zu größeren Festivals. "Wir haben viele treue Zuschauer", freut sich die Festivalleiterin: "Die meisten sind übrigens Nicht-Juden, die mehr über das Judentum erfahren wollen." Ihre persönlichen Empfehlungen sind "Little Odessa" und der Dokumentarfilm "Po-Lin. Spuren der Erinnerung". Ausgangspunkt von "Po-Lin" (2008) sind 20 Amateurfilme aus den 1920er und 1930er Jahren, die von jüdischen Auswanderern bei späteren Besuchen in ihrer alten polnischen Heimat gedreht wurden. Die polnische Filmemacherin Jolanta Dylewska hat diese Dokumente jüdischen Lebens in Archiven in den USA und in Israel entdeckt und einige der gefilmten Personen und Orte besucht. Für Monika Kaczek "ein wunderbar poetisches Werk".

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