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Wie Horváths "Kasimir und Karoline" am Volkstheater scheiterte.

Wer wagt, kann auch verlieren. Wagemut hat der Neodirektor des Wiener Volkstheaters bei seiner Eröffnung mit "Spiegelgrund" gezeigt und gewonnen. Auch bei Ödön von Horváths "Kasimir und Karoline" zeigt Schottenberg mit der junge n Regisseurin Annette Pullen Mut zum Risiko. Pullen allerdings wurde vom Haupthaus des Volkstheaters sichtlich überfordert.

Das beginnt bereits beim Bühnenbild: Julia Krenz hat eine abstrakte Oktoberfestwiese aus gelb-grünen Plastik-Hügeln eingerichtet. In dieser kalten Atmosphäre hat das Ensemble kaum Spielraum. Vor den Kobeln stellen sie sich auf, als hätte Pullen Horváth beim Wort genommen: "Was steht Ihr denn so festgewurzelt da?"

Pullens Figuren haben kein Leben, sie sind erledigt von der Inflation, desillusioniert von der Liebe. Da passiert nichts zwischen den Protagonisten, merkwürdig kalt trennen sich der abgebaute Chauffeur Kasimir (Thomas Kamper) und Karoline (Sabine Osthoff), die Büroangestellte, die noch zu Beginn beteuert, dass eine "wertvolle Frau noch mehr an dem Manne hängt, wenn es diesem schlecht geht". Ihre Trennung ist ebenso wenig nachvollziehbar wie Karolines Interesse an dem Zuschneider Schürzinger (Jakob Seeböck), denn es sind alle gleich in dieser Inszenierung. Damit unterläuft Pullen ein Fehler.

Horváths Figuren sind gesellschaftlich motiviert und nur so zu verstehen. Das Oktoberfest - Ort einer scheinbar egalitären Festgemeinschaft - soll eine aufgehobene Ordnung vortäuschen, um am Ende die hierarchischen Strukturen erneut freizulegen.

Das zweite Missverständnis: Pullen ignoriert Horváths "Bildungsjargon": Die Komik resultiert nämlich aus der Unverhältnismäßigkeit zwischen Text und Vorgang, gelernte Phrasen gelten nur so lange, bis die Wirklichkeit sie einholt. Hier springt kein Funke über, weder zwischen Erna (Bild, Dolores Schmidinger), die ihren sadistischen Merkl Franz (Gregor Seberg) trotz allem liebt, noch zwischen dem Spießbürger Rauch (Heinz Petters) und den vergnügungswütigen Girlies Elli (Annette Isabella Holzmann) und Maria (Katharina Straßer).

Dabei hat Horváth doch selbst die Gebrauchsanweisung mitgeliefert: "Alle meine Stücke sind Tragödien - sie werden nur komisch, weil sie unheimlich sind. Das Unheimliche muss da sein."

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