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Gegen Arbeitslosigkeit hilft kein Bier und kein Zeppelin

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Aktuell ist Ödön von Horvaths Volksstück „Kasimir und Karoline" zweifellos, sonst würde man dieses Werk von 1932 nicht derzeit an mehreren Bühnen, neuerdings auch wieder am Wiener Burgtheater, aufführen. Die Frage ist nur, wie weit es den Inszenierungen gelingt, das Zeitgemäße und das Zeitlose dieser 117 Kurzszenen deutlich zu machen und dabei womöglich auch noch den Volksstück-Charakter zu treffen.

„Und die Liebe höret nimmer auf" lautet Horvaths Motto für „Kasimir und Karoline", die alltägliche Tragödie einer gescheiterten Beziehung. Auf der Münchner Oktoberfest-„Wiesn" starren alle gebannt auf die technische Errungenschaft Zeppelin (so wie heute ins Internet), auch die Büroangestellte Karoline. Deren Verlobter, der Chauffeur Kasimir, hat seine Arbeit verloren und kann all dem nichts abgewinnen: „Da fliegen droben zwanzig Wirtschaftskapitäne und herunten verhungern derweil einige Millionen." Aber die Schaulust der Leute auf dem Oktoberfest gilt nicht nur dem Zeppelin, sondern auch einer Beihe von Abnormitäten, die Hor-vath auftreten läßt, vom Affen-mädchen Juanita bis zum „Mann mit dem Bulldoggkopf".

Was Kasimir im Frust über seine Entlassung geradezu herbeiredet und provoziert, tritt ein: die Trennung. Karoline freundet sich mit dem Zuschneider Schürzinger an und ist sogar bereit, mit dessen Chef, Kommerzienrat Rauch, auf ein flüchtiges Abenteuer nach Altötting zu fahren. Kasimir sucht Trost im Bierkonsum mit dem Merkl Franz - einem ehemaligen Kollegen und Kriminellen, der seine Freundin Erna brutal unterdrückt- und ist schon pleite, als er sich auch noch zwei leichten Mädchen zuwenden will. Mit denen kommt dann Bauchs Freund, der Landgerichtsdirektor Speer, ins Geschäft

Als ein Autounfall nahe der Festwiese Karolines Ausflug stoppt und der Merkl Franz verhaftet wird, scheint ein Happy-End möglich, aber Kasimir weist Karoline, die jetzt spürt, daß sie zu ihm gehört, zurück und wendet sich Erna zu. Kür Schürzinger wird Karoline nun zur leichten Beute, während Erna und Kasimir zurückbleiben und singen, der Mensch habe nur „einen einzigen Mai".

All das hat Matthias Hartmann sehr klug mit einem aufwendigen Achterbahn-Bühnenbild von Bernhard Kleber inszeniert, aber das Volksstück, das Mitempfinden mit den Hauptfiguren, das kommt zu kurz. Da hilft auch nicht, eine Szene mit einem sonderbaren Schutzengel einzubauen. Die Darsteller agieren stellenweise wie Puppen, wie Karikaturen. Marcus Bluhm (Kasimir) wirkt sympathisch, aber nicht ganz glaubhaft, Tamara Metelka (Karoline) hat die stärkeren Momente. Johannes Krisch als Ganove mit Macho-Allüren (Merkl Franz), Anja Kirchlechner als dessen naive Geliebte (Erna) und Roman Kaminski als geiler Richter (Speer) ziehen nur eine Typen-Show ab, aber das gekonnt. Markus Hering holt aus seiner ambivalenten Rolle (Schürzinger) eher die freundlichen als die unsympathischen Züge heraus. Robert Meyer (Rauch) verkörpert den widerlichen Geldsack so gut, aber zum Teil auch so komödiantisch, daß kein Auge trocken und auch damit das Nachdenken über die Moral dieses Stückes auf der Strecke bleibt.

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