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Neuer Horväth?

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Unter den Vorarbeiten von ödön von Horväth zu dem erfolgreichen Volksstück „Kasimir und Karohne“ gibt es Szenen, die er dann nicht verwendete. Traugott Krischke, der Verwalter des Horväthschen literarischen Nachlasses, ist der Meinung, daß diese Szenen keineswegs als verworfen anzusehen, seien, weshalb es, erst recht bedingt durch ihre Qualität, schade wäre, sie nicht zu spielen.

So hat Krischke das Vorhandene vereint und durchaus im Horväthschen Sinn ergänzt, wobei das Hinzugefügte mit weniger als zehn Prozent beziffert wird. Es entstand ein neues Stück mit Horväth als Autor, das es vordem nicht gab, falschlich als „rekonstruiert“ bezeichnet. Nach einer Prosaskizze „Die Wiesenbraut“, die sich im Nachlaß fand, benannt, gelangte es im Volkstheater zur Uraufführung. Die Erbin, Frau Horväth, gab zu allem die Einwilligung.

Eine Wiesenbraut geht auf der Münchner Oktoberfestwiese laut Horväth mit Herren, die sie nicht kennt. Sie will nur lustig sein und sonst nichts. In diesem Sinn ist auch Karoline in „Kasimir und Karoline“ eine Wiesenbraut wie Anna in dem neuen Stück. Die meisten Geschehnisse gleichen sich, wenn auch die Namen der Gestalten geändert sind. Anna wie Karohne haben mehr ungewollt als gewollt Krach mit ihrem Bräutigam, einem Chauffeur, der abgebaut wurde, in beiden Versionen begegnen sich die Zerstrittenen und stoßen sich wieder ab. Anna findet Gefallen an dem kommunistischen Studenten Emil, Karohne an dem Zuschneider Schürzinger. Und die beiden lüsternen älteren Herren, die das junge Blut umkreisen, gibt es hier wie dort. Die entscheidende Personenkonstellation ist dieselbe, bis ins einzelne der Dialoge gibt es Gleichheiten.

Dagegen sind in der „Wiesenbraut“ die Eltern Annas eingeführt, wodurch gezeigt wird, aus welchem Milieu sie

stammt. Die feinen älteren Herren begehen an Anna und Emil eine Gemeinheit, dadurch kommt es in weiterer Folge zu einer Schlägerei, die hier aus anderer Ursache als in „Kasimir und Karohne“ entsteht, überdies unmittelbar vorgeführt wird. Es fehlt der Ganove Merkl und seine Erna, die zu Kasimir zu finden scheint. Vollends versöhnen sich hier Anna und Ludwig, ihr Bräutigam, was bei Karohne und Kasimir nicht der Fall ist. Bei der lockeren Art der Szenenführung, die nirgends in die eherne Notwendigkeit des Schicksalsmäßigen greift, sind wohl beide Schlüsse möglich.

Die „Wiesenbraut“ ist eine Variante zu „Kasimir und Karoline“, das neue Stück bietet in einzelnen Szenen reizvolles Zusätzliches, aber der Gesamteindruck, worum es geht, bleibt gleich. Es ist also wenig wahrscheinlich, daß sich die „Wiesenbraut“ wird durchsetzen können.

Die Inszenierung leitete Traugott Krischke selbst, der für das Hauptpaar eine beeindruckende Besetzung fand: Brigitte Swoboda als bemerkenswert verhalten spielende Anna und Manfred Jaksch als richtige Vorstadttype Ludwig. Die Trinkszenen sind recht „wiesenmäßig“, nur wäre Jaksch in den Rauschszenen etwas zurückzunehmen, die Gefahr, ihn für einen Trunkenbold zu halten, könnte die Glaubwürdigkeit des diesfalls gut ausgehenden Schlusses gefährden. Michael Herbe überzeugt nicht recht als kommunistischer Student, Friedrich Haupt und Robert Werner als die beiden älteren Herren, Erna Schickel und Rudolf Strobl als Annas Eltern, sowie Marianne Gerzner und Herbert Propst als ein weiteres älteres Paar werden dem Volksstück voll gerecht. Walter Dörfler entwarf die oktoberfestgemä-ßen Bühnenbilder für die Drehbühne. Maria Peyer zeichnet für die Kostüme. Walter Heidrich sorgte für die musikalische Einrichtung.

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