Wenn selbst der geübte Salzburger rätselt

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Der Reigen der Festspielausstellungen beginnt: Historische Fotografien aus Stadt und Land Salzburg im Carolino Augusteum.

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Der Reigen der Festspielausstellungen beginnt: Historische Fotografien aus Stadt und Land Salzburg im Carolino Augusteum.

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Wo sich heute in Salzburg besonders gerne die Autos stauen, in der Imbergstraße, vor der Staatsbrücken-Kreuzung, liegt ein Kahn vor Anker. Dass die Arbeiten an der Salzach-Uferregulierung schon begonnen wurden, lässt der Erdwall im Vordergrund ahnen. Aufgenommen wurde das Bild "Die Gerberhäuser beim Steintor" von einem anonymen Fotografen nach dem Jahr 1865. Allein aus diesem einen Foto in der Ausstellung "Kronland Salzburg" im Carolino Augusteum erschließt sich den Betrachtern ein kleines Stück verschütteter Stadt- und Gewerbegeschichte Salzburgs: Noch ist die Bootsanlegestelle im ehemaligen Viertel der Lederer und Weißgerber erhalten. Ob es aber für den hölzernen Kahn noch einen Weg zurück auf die Salzach gibt, ist nicht zu erkennen.

Dafür erfährt man aus dem Bildtext im Katalog, dass die pittoresken Arkaden der Steingassenhäuser, wie die auffallenden offenen Dachboden-Konstruktionen, den Gerbern zum Trocknen der Häute dienten. Diese Arkaden, die noch heute das Stadtbild unterhalb des Kapuzinerklosters prägen, waren also mehr als ein schmuckes architektonisches Detail. Namen wie "Lederergässchen" oder "Lederertor" sind plötzlich mehr als Bezeichnungen für eine winkelige Verbindung zwischen Schwarzstraße und Dreifaltigkeitsgasse. Über 300 alte Ansichten aus Stadt und Land Salzburg zeigt das Museum Carolino Augusteum in der Ausstellung "Kronland Salzburg - Historische Fotografien von 1850 bis 1918": Mit Originalaufnahmen und Abzügen historischer Glasplatten-Negative erschließt die Ausstellung einen kleinen Teil des umfangreichen Bestandes historischer Fotografien aus der Sammlung des Carolino Augusteums.

Vor manchen Bildern stehen selbst geübte Salzburger rätselnd, wo denn ein Gebäude oder eine Ansicht heute wohl zu entdecken wäre. Die trutzige "Fronfeste" etwa, aufgenommen um 1900 von Karl Hintner, wurde 1907 abgerissen. An der Stelle des mächtigen Gebäudes, an dem ab 1562 immerhin die Fürsterzbischöfe Kuen-Belasy, Wolf Dietrich und Paris Lodron bauen ließen, steht heute das Jusitizgebäude.

Den Aufnahmen, die die Bau- und Entwicklungsgeschichte der Stadt Salzburg und von Gemeinden im Land Salzburg dokumentieren, stehen Fotos gegenüber, die einen Rückblick auf die Sozialgeschichte erlauben: Portraits von Salzburger Bürgerinnen und Bürgern verleihen der Ausstellung des Carolino Augusteum einen besonderen Reiz: Eine zerkratzte, fleckige Ambrotypie, entstanden um 1860, zeigt etwa den letzten Lederermeister Salzburgs: einen verschmitzt lächelnden, selbstbewussten Geschäftsmann, der bei einer kleinen Ruhepause ertappt worden sein könnte, so locker und entspannt wirkt seine Haltung im Gegensatz zur Steifheit manch anderer Figur auf den üblichen streng konventionellen Atelierbildern.

Die Ausstellung ist auch eine kleine Geschichte zur Entwicklung der Fotografie und ihrer wachsenden wirtschaftlichen Bedeutung: Fotos auf Broschen, Visitenkarten oder Porzellantellern, sowie einige fotografische Gerätschaften ergänzen und beleben die Präsentation. Ein besonders prächtiger Bierkrug zeigt das Porträt Kaiser Franz Josephs im Lorbeerkranz - allerdings auf dem Boden des Kruges, sichtbar erst nach Absenken des Bierspiegels...

Einer der insgesamt neun Themenbereiche ist der frühen Hochgebirgsfotografie gewidmet. Die "Türkische Zeltstadt", ein bizarrer Gletscherbruch am "Obersulzbachkees" unterhalb des Großvenedigers, ist heute vollständig geschmolzen. Eine Aufnahme um 1900 dokumentiert das damalige Landschaftsbild im doch nicht so ewigen Eis und die Seil-Technik zu dessen Eroberung.

Die Ausstellung dokumentiert also auch die Entwicklung und Veränderung des Naturraumes Salzburg. Wie Tourismus eine Gegend verändern kann, wird nach Betrachtung des Bildes "Obertauern" von Eduard Fürböck besonders schmerzhaft bewusst: 1907 bestand das heutige Schi-Mekka aus zwei Rasthäusern und dem Kirchlein des Salzburger Dombaumeisters Santino Solari.

Bis 1. Oktober

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