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Butter, Bildung, Preise

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Die relativ niedere Produktivität In der jugoslawischen Industrie und die hohen Produktionskosten werden als Ursache dafür angesehen, daß tri Jugoslawien nicht ohne weiteres ein höherer Lebensstandard zu erreichen ist und daß Jugoslawien auf den Weltmärkten nicht zu konkurrieren vermag: das wird in letzter Zeit in jugoslawischen Zeitungen und Wirtschaftskommentaren immer wieder hervorgehoben. In diesem Zusammenhang ist eine Statistik des jugoslawischen Instituts für Arbeitsproduktivität (publiziert in der Zagreber „Borba“ vom 14. April) höchst aufschlußreich.

Die Statistik gibt Antwort auf die Frage, wieviel ein Industriearbeiter an Arbeitsstunden aufwenden muß, um bestimmte Artikel kaufen zu können. Der gleichzeitige Vergleich mit den hochentwickelten Industrieländern des Westens ist niederschmetternd. So muß der jugoslawische Arbeiter für den Einkauf von einem Liter Milch 25 Minuten Arbeitszeit aufwenden, in der Bundesrepublik nur 7 Minuten. Für ein Kilogramm Butter muß der jugoslawische Arbeiter 6 Stunden und 28 Minuten arbeiten, in der Bundesrepublik 1 Stunde und 56 Minuten, in Großbritannien gar nur 66 Minuten. Für einen Kilogramm Kartoffeln: in Jugoslawien 17, in den USA 4 Minuten. Für ein Herrenhemd sind in Jugoslawien 17 Stunden und 4 Minuten Arbeitszeit notwendig, in Großbritannien nur 5 Stunden und 4 Minuten. Für einen Kühlschrank sind in Jugoslawien 859 Arbeitsstunden aufzuwenden, in der „Deutschen Demokratischen Republik“ 523 Stunden und 52 Minuten, in der

Bundesrepublik nur 91 Stunden und 44 Minuten. Für ein Auto muß man in Jugoslawien 7167, in den USA nur etwa 200 Stunden arbeiten. Für einen Fernsehapparat muß der jugoslawische Industriearbeiter 1024 Arbeitsstunden aufwenden, der Arbeiter in den USA nur 90 Stunden und 30 Minuten.

Ruf nach mehr Bildung

Daß sich die Produktivität der meisten Wirtschaftszweige im Rückstand befindet, ist auch auf das ungenügende Fachwissen des Wirtschaftskaders zurückzuführen. So

haben nach einer Enquete, die In „Vjesnik“ vom 20. April publiziert wurde, von 1386 befragten Beamten und Bediensteten in Kroatien nur 73 Personen Universitätsbildung. Von 479 Wirtschaftsfunktionären haben 190 nur Volksschule. Naoh einer Zeitungsmeldung lernen die Studenten auf der technischen Fakultät in Sisak Teohnologie nach Skripten aus dem ersten Weltkrieg!

Die Bildung in Jugoslawien ist überhaupt niedrig. Allein im Zagreber Landgebiet gibt es 80.000 Analphabeten. Nach einem Kommentar in „Kommunist“ (Jänner oder Februar d. J.) sind 30 Prozent aller Mitglieder des Bundes der Kommunisten Analphabeten. In „sozialistischen“ Ländern Europas gibt es keine Analphabeten. In Jugoslawien sind jedoch 18 Prozent der Einwohner Analphabeten. Die Zagreber „Borba“ vom 26. März hebt hervor, daß das Problem des Analphabetentums in Jugoslawien erst in 27 Jahren gelöst sein werde, wenn sich die Verantwortlichen darüber nicht etwas den Kopf zerbrechen. Auch mehr Geld müsse dafür aufgewendet werden.

Letzte Chance: Preisstopp

Die jugoslawische Regierung entschloß sich im übrigen zu neuen administrativen Maßnahmen zur Stabilisierung der. Wirtschaft. Der erste Beschluß der Regierung zielte auf die Preise, die allein im Jänner d. J. um 16 Prozent gestiegen waren. Die Preise, die am 22. März bestanden, wurden also „eingefroren“ und dürfen bis auf weiteres nicht angehoben werden. Die Reaktion auf diesen Beschluß war besonders in

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