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Modellfall politischer Intrige

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Die Träger des Staatsstreichs, einer Verzweiflungstat der äußersten Rechten, waren die zweite Garnitur der Generalstabsoffiziere, seine Anstifter hingegen die zweite Garnitur der ERE, Männer, die zu lange im Schatten überragender Persönlichkeiten wie Koramonlis und Kanellopoulos gestanden hatten, um nicht endlich selbst nach der Macht zu lechzen. Der 21. April war das Werk der Parteisekretäre, Pressereferenten und Ortsgruppenleiter, jener grauen Eminenzen, die heute wie die Spinnen aus den Hinterzimmern der Ministerien die unbeholfenen Schritte der Militärs lenken.

Das böse Spiel, das diese Hintermänner mit dem ehrlichen Makler Kanellopoulos trieben, ist ein Modellfall politischer Intrige. Nachdem sich der aufrechte Kämpfer gegen jede Art von Diktatur, der diese Haltung schon unter Metaxas mit der Verbannung büßen mußte, im Dezember 1966 mit seinem einsamen Entschluß zur Durchführung der Neuwahlen vom Parteivorstand der ERE verlassen gefunden hatte, und er im Parlament von eigenen Abgeordneten attackiert sowie von der Parteipresse kritisiert worden war, bahnte sich eine Verständigung mit dem greisen Georg Papandreou und den liberalen Abgeordneten der Zentrumsainion an, die über den extremen Linkskurs von Andreas Papandreou und seiner Gefolgschaft besorgt waren. Die Frucht dieses stillschweigenden Waffenstillstands zwischen den demokratischen Kräften der ERE und den Einsichtigen des Zentrums war die Ubergangsregierung Porosfcevopou-los und die Festsetzung der Neuwahlen für den 28. Mai. Der einzige realistische Ausweg aus der Krise war angebahnt, wobei das Hauptverdienst Kanellopoulos gebührt, wozu aber auch Georg Papandreou, der — zu spät — einsah, welche Geister er gerufen hatte, entscheidend beitrug.

Leider gelang es Andreas Papandreou und seinen Ultras, die Regierung Paraskevopoulos mit der geschickt hochgespielten Frage der Immunität des ersteren zu stürzen und auf diese Weise die sich anbahnende Zusammenarbeit zwischen ERE und Zentrum zu torpedieren. Kanellopoulos erblickte den einzigen Ausweg darin, selbst die Regierung zu übernehmen und das Land durch ein festes, aber demokratisches Regiment zu geordneten Wahlen zu führen.

Die Verräter in den eigenen Reihen, die ihre Revolutionspläne schon in der Schublade hatten, bestärkten Kanellopoulos in diesem Entschluß und drängten auf die sofortige Auflösung des Parlaments. An ihrem Veto scheiterte der Vorstoß des liberalen Politikers Mitsotakis zur Erweiterung der Minderheitsregierung der ERE um Liberaldemokraten und Fortschrittliche. Als Kanellopoulos am Mittag des 14. April dem Drängen der „Harten“ nachgab und das griechische Parlament auflöste, ohne die Vertrauensfrage gestellt zu haben, war sein Untergang besiegelt.

Genau eine Woche später, in der Nacht zum 21. April wurde er in seiner Wohnung überfallen. Kanellopoulos glaubte sich im ersten Moment von ASPIDA-Verschwörern überrumpelt, doch bald dämmerte ihm die bittere Erkenntnis, daß ihm der Judas aus dem eigenen Lager entgegentrat. Standhaft weigerte sich Griechenlands letzter demokratischer Ministerpräsident, das berüchtigte Notstandsdekret und seine Rücktrittserklärung zu unterzeichnen. Die Schergen packten zu...

Tage später wurde Kanellopoulos, schwer malträtiert, noch ungebrochen, in den Athener Vorort Kiflssia geschafft, wo man ihn ärztlicher Pflege übergab.

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