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Im Namen der Ordnung

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Unerwartet rasch hat sich die politische Situation in Griechenland völlig gewandelt. Die Einsetzung der Minderheitsregierung der ERE, zu der sich König Konstantin erst nach langem Zögern durchringen konnte, hat sich als glücklicher Griff zur Entwirrung der chaotischen Zustände erwiesen.

„Die Demokratie ist eine aristokratische Staatsform.“ Unter diesem Leitmotiv des neuen Unterrichtsund Infomationsministers Kassima-tis steht das Zensur- und Sicherheitsprogramm der nationalradikalen Regierung, mit dessen Hilfe sie die Gegensätze der Parteien zu neutralisieren und — wer will es ihr verargen — den eigenen Standpunkt zu monopolisieren versucht. Demonstrationen können nur noch auf Universitätsboden durchgeführt werden, von dessen Asylrecht selbst die streikenden Maurer Gebrauch zu machen wußten; die Polizei knüppelt sich auch an Hausfrauen und Pressevertretern aus, während die Nationale Sfcindfunk instalt EIR zur exklusiven Stimme ihres Herrn und Ministsrpräsidenten Kanellopoulos geworden ist. Vorbildlich gewahrt hingegen blieb die Pressefreiheit und das Versammlungsrecht in geschlossenen Räumen, doch es riecht nach Diktatur, und nicht von ungefähr wittert die kleine faschistische Partei vom „4. August“, deren Transparente bei den Umzügen der Regierungsjugend nicht fehlen, frische Morgenluft.

Jene Kräfte, die dem offenkundigen Verfall des Parlamentarismus in Griechenland mit einer totalitären Roßkur begegnen wollen, haben ihre Rechnung aber ohne König Konstantin gemacht, der in der jüngsten Krise hinreichend bewies, daß er von seinen Rechten nicht nur der Volksfront gegenüber Gebrauch zu machen versteht.

Nachdem die parteifreie Ubergangsregierung Paraskeuopoulos über die Immunität von Papandreou-Sohn und angeblichen ASPIDA-Kapo Andreas gestolpert war, zielten alle Bemühungen des jungen Monarchen auf die Bildung einer Allparteienregierung, an der sogar die Kommunisten teilzunehmen versprachen, worüber Parteichef Passalidis im Palast schon des langen und breiten verhandelte. Zustimmend hatten sich ferner der Vorsitzende der Liberaldemokraten, Stefanopoulos, der Führer der Fortschrittlichen, Markezinis, und Exministerpräsident Tsirimokos von der sozialistischen Demokratischen Union geäußert. ERE-Obmann Kanellopoulos drängte den König schon damals, seine Partei allein mit der Regierung zu beauftragen, doch konnte er Konstantin nicht zu einer solchen Brüskierung der stärksten Fraktion, der Zentrumsundon, überreden. Erst die Revolutionsdrohungen Papandreous und seine eigensinnige Weigerung, an einem Meeting der Parteibosse teilzunehmen, ließen dem Herrscher keine andere widerwillige Wahl als die Lösung Kanellopoulos.

Mit Regierungsbildung und Machtübernahme hatte es der „große Führer“ — so besingen ihn die Kampflieder der ERE-Demonstranten — ebenso eilig, wie er sich später mit dem Erscheinen vor dem Parlament Zeit ließ. Zunächst überraschte schon die Zusammensetzung sednea Kabinetts, in dem den Vertretern des extrem rechten Parteiflügels ein weit größerer Einfluß eingeräumt wurde, als man es dem gemäßigten Kanellopoulos zugetraut hätte. Die Schlüsselposition im Ministerrat, das Koordinationsressort, kam in die Hände des bekannten Altmonarchisten Panat/iotis Pipinellis, vor dem Botschafter in Prag, Sofia und Moskau, eines — vielleicht, infolge seiner Osterfahrungen — fanatischen Anti-kommunisten. Aber auch der sonst so freundliche und konziliante Kanellopoulos war nicht wiederzuerkennen, als er dem griechischen Volk Ruhe, Disziplin und Niederwerfung jedes Widerstandes ankündigte. Sicherheitsminister Rhallis wußte inzwischen dafür zu sorgen, daß es nicht nur bei Worten blieb.

Seltsamerweise, und das ist das Paradoxe an der letzten Entwicklung der Dinge, wirkte sich dieses forsche Auftreten der Nationalradikalen günstig aus. Im Augenblick der Machtübernahme waren alle inneren Spannungen begraben, von denen die ERE seit Monaten erschüttert wurde. Den Nationalradikalen Hegt nun einmal die Opposition nicht, in der Papandreou Meister ist, ihr wird nur als Regierungspartei Eintracht und Erfolg beschieden, als die sie ein ebenso gestrenges wie fruchtbringendes Regiment zu führen weiß. Bezeichnenderweise riefen denn auch ihre polizeistaatlichen Capriccios nicht den von Papandreou angekündigten Aufstand der Massen, sondern eine Generalmobilisierung von Mitläufern hervor. Es ist heute in Athen wieder Mode, national zu sein, und es gab so manchen, der eilig das rote Hemd mit dem schwarzen Pulli vertauschte.

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