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Der Auferstehungsfeiern müde

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Sooft wir während der vergangenen Wahlkampagne einen unserer Athener Freunde und politischen Auguren aus Leidenschaft in der Plaka trafen, murmelte er beschwörend die Zeilen Seferis': „Nur ein Weniges noch,. und wir werden die Mandeln blühen sehen.“ Diese Verse kennzeichneten treffend die Stimmung der Zentrumsunion, deren Führer, Papandreou, die Griechen mittels politico-mystdscher Ermahnungen zur Auferstehung rief. Unser Freund fügte jedoch hinzu, daß der zu erwartende Sieg der Zenitrums-union das Gedeihen der Disteln nicht unterbinden werde, zumal den ehrgeizigen Reformprogrammen die konkreten Details fehlten. Weiters werde es sich zeigen, ob Papandreou noch derselbe sei, der 1944/45 den Engländern durch Intransigenz und Entschlußlosigkeit arges Kopfzerbrechen bereitete, als er als Vorsitzender der aus dem Exil zurückgekehrten Regierung den Bürgerkrieg zu führen hatte. Die Zentrumsunion konnte am 16. Februar die absolute Mehrheit erringen. Wackere Anhänger Papandreous versammelten sich in Athener Vororten, um ein Lamm zu rösten und auf diese Weise Auferstehung und „spirituelle Befreiung“ zu begehen.

So kam Griechenland bereits zu (politischen) Ostern, während dde Orthodoxie erst in die Fastenliturgie eingetreten war.

Diesmal hatte die blendende Rhetorik und persönliche Ausstrahlung des listigen Taktikers auch die Städte mitreißen können. Selbst in „, Makedonien, dem Stammland Karaimanlis' — den Linksradikale einen blutbesudelten Tyrannen nennen —, gab es beachtliche Gewinne. Kleinbürger, selbständige Bauern und die junge Intelligenz erteilten Papandreou ein eindrucksvolles Mandat zur Ausführung weitgesteckter Pläne im Bereich der Landwirtschaft, des Erziehungswesens, der Industrieplanung und der Wehrfragen, welche Griechenland, das zwischen technischer Zivilisation und Entwicklungsstatus steht, eine gesündere Infrastruktur sichern sollen.

Die politische Stabilität schien gesichert, zumal der Hauptrivale Papandreous im kompliziert aufgebauten Parteiapparat, Sophokles Venizelos, plötzlich verstorben war. Doch der „Auferstehung“ folgte kein Osterfriede. Verschiedene Ereignisse setzten Papandreou vom ersten Tag an unter Druck und ließen die Reformpläne in den Hintergrund treten. Dde Desintegration des politischen Lebens machte nach dem 16. Februar bedrohliche Fortschritte. Während die Operation König Pauls die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit fesselte, benutzte der listige, alte Fuchs die politische Windstille zur Bildung seines zweiten Kabinetts. Die Überraschung war allgemein. Der linke Flügel der Zentrums* union, geschart um den Abgeordneten Elias Tsirimokos, sah sich ,überg,angeny, Man^,,flüsterte,.,. vom, Einfluß der Königinmutter.

Ohne Zweifel wollte Papandreou auch zu verstehen geben, daß er bei der Ausführung der Programme nicht den ungestümen Feuerkopf spielen werde, zumal eine neuerliche Gefährdung der Drachma vermieden werden mußte, um die Beziehungen zur EWG keiner Störung zu unterwerfen. Gerade auf diese Verbindung setzen so viele Griechen alle Hoffnung. 1961 war der Assoziierungsvertrag unterzeichnet worden, der Griechenland 12 bis 22 Jahre Zeit zur Vorbereitung auf den Wettbewerb gibt — bei freier Festsetzung der Ausgangszölle —, während die eigenen Produkte auf westeuropäischen Märkten ab 1969 keiner Diskriminierung unterliegen werden.

Inzwischen blieb die Aufmerksamkeit auf König Paul fixiert. Bis zum 16. Februar war sein Zustand geheimgehalten worden. An diesem Tag noch antwortete der damalige Übergangspremier auf die Frage eines Journalisten mit kühler Gelassenheit, das Befinden des Königs sei ausgezeichnet. In Wirklichkeit war er bereits ein Todgeweihter. König Paul hatte als Prinz das abwechslungsreiche Spiel um Vertreibung und Rückkehr des Hauses mitmachen müssen. Die traditionellen Spannungen zwischen Roya-listen und Venizelisten bestimmten seinen Weg. Als Gentleman gewann er die Achtung der Griechen, während das Ansehen der Monarchie auf einen neuerlichen Tiefpunkt fiel.

Den jungen König dagegen empfing man mit Wohlwollen. Papandreou begrüßte ihn nach der Vereidigung (die in Griechenland die Krönung ersetzt) mit den Worten: „Kronprinz Konstantin, olympischer Sieger voll strahlender Jugend und Gesundheit, der von historischer Verantwortung durchdrungen ist, hat den Thron bestiegen.“ Geschickt war der Premier der Titelfrage ausgewichen. Gemäß der neugriechischen Zeitrechnung wäre Konstantin der zweite, doch in sentimentaler Erinnerung zählt man auch die byzantinische Reihe (Konstantin XIII.), was im Moment das Verhältnis zur Türkei zusätzlich belastet hätte. Die salomonische Lösung heißt: Konstantin, König der Hellenen.

Der bunte Flitter der Thronbesteigung koninte über den Ernst der Lage nicht hinwegtäuschen. Zypern begann Papandreous Aktionen zu bestimmen. Eine türkische Protestdemonstration am 23. Dezember 1963 hatte zu den ersten Schießereien geführt. Doch inzwischen war auf den unmittelbaren Anlaß vergessen worden, und man übte mit großer Freud das alte Guerillahandwerk. Die Zusammenstöße ließen unerfüllte politische Forderungen aufleben. Die Türkei, getrieben von Ein-schließungspanik, befürwortete die Teilung der Insel, eine vernünftige Lösung übrigens, die den östlichen Mittelmeerraum befrieden könnte. Doch die emotionsgeschwängerte, um Atavismen bereicherte Atmosphäre ist rationalen Lösungen wenig förderlich.

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