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Klärung in Athen

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Nachdem die Militärdiktatur in Griechenland zum Jahresende mit Niederwerfung der Gegenrevolution König Konstantins, der Amnestie für die politischen Gegner und der Überleitung in parlamentarische Schein- formen durch Verfassungsänderung und Abschied der Juntaführer aus der Armee ihre am 21. April 1967 eingeHeitete Machtergreifung abgeschlossen hat, können keine Zweifel mehr darüber bestehen, daß es sich bei diesem Regime weder um eine Funktions- noch um eine Notdik- tatur, sondern um einen systematischen Plan handelt, dessen Kopf der Artillerieoberst, Revolutionsratsvorsitzender und jetzige Ministerpräsident Papadopoulos ist.

Die ideologischen Grundlagen, politischen Ziele und taktischen Methoden der griechischen Revolution kommen erst jetzt klar zum Ausdruck, nachdem sie bis zum 13. Dezember mit dem rein reaktionären Phänomen der vom König gestützten Gruppe Kollias-Spandidakis vermengt waren.

Die „große Idee“

Über Fehler und Mängel der griechischen Nachkriegsdemokratie sind kaum noch Worte zu verlieren, sie sind aus den Ereignissen, die dem 21. April vorausgingen, hinlänglich bekannt. In diesem Punkt ist dem Regime durchaus beizustimmen, wenn es auch sein kurzsichtiger Fehler war, der Reinigungstherapie der Neuwahlen vorzugreifen und die Demokratie als solche zur Schlachtbank zu führen. Die wirtschaftliche und soziale Krise in Griechenland, nach einem beachtlichen Aufschwung ln den fünfziger Jahren der ökonomischen Dynamik zum Trotz von der politischen Labilität der Jahre 1963 bis 1966 ausgelöst, tat ihr übriges, den Nährboden für völkische Propheten und ihre gläubige Annahme zu bereiten.

Die politische und in ihrer Folge wirtschaftliche Zerrüttung Griechenlands waren aber nur aktuelle Symptome des seit der neugriechischen Staatswerdung vorhandenen Gegensatzes zwischen klassischneuzeitlichem und christlich-byzantinischem Geist, der schon in den griechischen Freiheitskriegen von 1821 bis 1833 mit den zwei entscheidenden Faktoren der orthodoxen Kirche und des revolutionären Philhellenentums zum Ausdruck kam. Später prägte sich dieser Gegensatz in erster Linie auf politischem Gebiet in der Auseinandersetzung von Monarchie und Liberalismus aus, der im Machtkampf zwischen König Konstantin 1. und Elevtherios Veni- zelos seinen Höhepunkt erreichte. Nach Anfangserfolgen des aus der Zeit der deutschen Kleinfürsterei importierten Königtums, das mit dem territorialen Ausgreifen Griechenland» in Richtung Konstantinopel Anschluß an die byzantinische Reichstradition suchte, führte der Zusammenbruch dieser sogenannten „Großen Idee“ in der Katastrophe des kleinasiatischen Feldzugs von 1922 zum Überwiegen des Venizelis- mus, Ende der Monarchie und einer liberal-aufgeklärten Politik.

Rein im bürgerlichen Geist der französischen Revolution befangen, fehlte den Liberalen um Venizelos jede soziale Ader, was sich bis zur liberalen Spätform des Vaters Papandreou nicht ändern sollte. So wuchs im Untergrund der griechischen Republik die Arbeiterbewegung nur als radikaler Kommunismus heran, der durch den Druck der Metaxas-Diktatur und der deutsch- italienisch-bulgarischen Besatzung, im zweiten Weltkrieg so militant wurde, daß er anschließend seine Kräfte in einem fünfjährigen Bürgerkrieg messen konnte.

Nach dem Bürgerkrieg

Nach seinem Ausgang wurden mehrere politische Versuche unternommen, den dafür verantwortlichen nationalen Zwiespalt zu überbrük-

ken. Stellte die „Nationale Erhebung“ des Marschalls Papagos eine Sammlungsbewegung von Monarchisten und Liberalen im Zeichen der gemeinsamen kommunistischen Ge fahr dar, so näherte sich die länks- liberale Zentrumsunion Papandreous in der Auseinandersetzung mit Papagos’ weit nach rechts gerücktem Nachfolger Karamanlis den Kommunisten auf Tuchfühlung, ohne sie jedoch zu sich herüberzie-

hen zu können. Die bisherigen politischen Synthesen ließen also die äußerste Linke unberücksichtigt.

Hier setzt das echte Anliegen der griechischen Revolution ein, auf das ihre bisherigen Erfolge in der Hauptsache zurückzuführen sind. Seine Synthese ist geradezu als Nationalkommunismus zu bezeichnen, ein Wort, das vom Chef-Ideologen Savuos Konstantopoulos, einem früheren Kommunisten, wörtlich ge braucht wurde. Papadopoulos1 Revolution will alle bisherigen politischen Gruppen, die sie für Griechenlands nationalen Niedergang verantwortlich macht, zerschlagen und die in ihrem Eigenwillen gebrochenen Strömungen in einem totalitären System zusammenfassen, das von christlicher Metaphysik, völkischem Absolutismus und sozialer Revolution getragen ist. Härte und Milde, Kerker und Amnestie, Terror und Leutseligkeit stehen für Papadopoulos nur im Dienste dieser Aufgabe.

Er geht mit Parteiführern und -Organisationen genauso stiefmütterlich um, wie er ihre Anhänger durch bald monarchistisches, freiheitliches und klassenkämpferisches Gehaben zu gewinnen sucht, all das freilich in noch recht dilettantischer Form. Die wirksamsten Mittel der Gleichmacherei bestanden darin, daß sich alle politischen Gruppen erst in die Haft und jetzt in die Amnestie teilen mußten und durften.

In Zukunft wird das Regime hoffentlich geschickter und tiefgreifender Vorgehen, doch läßt sich sein allzu edles und schönes Ziel mit Gewalt ebensowenig durchführen wie eine echte Überwindung der Klassengegensätze im totalitären kommunistischen Staat. Das widerspräche allen Gesetzen organischer und dialektischer Entwicklung.

Die organische Überwindung des nationalen Zwiespalts der Hellenen bahnt sich vielmehr als Gegenreaktion auf den diktatorischen Druck an. Wie sich einst Christlich-Soziale und Sozialdemokraten in Gestapo-Kellern und Konzentrationslagern die Hände reichten und aus ihrer Versöhnung die krisenfesten Demokratien der Nachkriegszeit entstanden, so ist auch in Hellas der Weg gewiesen. Das hohe Ziel, dem Papadopoulos und seine Getreuen mit Untauglichen Mitteln und in Vermessenheit nach jagen, wird erst mit ihrem Untergang zur Realität. Diese Tragik ihres Unterfangens soll bei aller Ablehnung nicht übersehen werden.

So ist der griechische Vorfall eine historisch notwendige Durchgangsphase, aber auch nicht mehr als eine solche. Papandreou wird in einem gewiß recht behalten: JDie Demokratie wird siegen!"

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