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Das Duo von Athen

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Unmerklich und fast über Nacht Ist das griechische Militärregime zum Jahresende in neue Hände geraten: Generalleutnant Angelis, seit dem Offlziersputsch vom 21. April 1967 Chef des Heeresgeneraistabes und am 14. Dezember 1967, nach König Konstantins gescheiterter Gegenrevolution, zum Vorsitzenden des koordinierten Stabes von Heer, Flotte und Luftwaffe avanciert, rückte auf den von der neuen Verfassung geschaffenen Posten des Oberkommandanten aller griechischen Streitkräfte auf. Mit diesem Amt sind aber weitreichende politische Befugnisse und bei Belagerungszustand — wie er in Griechenland nun schon 20 Monate herrscht — auch die Befehlgewalt über Polizei, Gendarmerie und die staatspolizeilichen Geheimdienste verbunden. Der Aufstieg von Generalleutnant Angelis aus dem Unterbau der griechischen Militärdiktatur an die Seite ihres politischen 'Wortführers Papadopoulos erklärt viel Rätselhaftes in der bisherigen Entwicklung des Athener Regimes und ist vorläufig zu seiner dominierenden Komponente geworden.

Innerhalb der verhältnismäßig großen Gruppe griechischer Offiziere, die mit ihrem Staatsstreich einer vermeintlichen kommunistischen Gefahr vorgreifen wollten, zeichneten sich schon in den ersten Wochen ihrer Herrschaft Gegensätze und Differenzen ab. Hatte ihre Bewegung in den ersten Tagen betont Sozialrevolutionären Anstrich, so geriet das neue Regime bald in ausgesprochen reaktionäres Fahrwasser, wofür man — und wohl zu Recht — den damaligen Ministerpräsidenten Kollvas und die hinter ihm stehenden zivilen Minister aus dem Richterstand verantwortlich machte. Diese gehörten allerdings nicht zum Kreis der Verschwörer des 21. April, sondern waren dessen kleinbürgerliche Kollaborateure, und König Konstantin war mehr als schlecht beraten, seine Hoffnungen auf den mäßigenden Einfluß dieser schwerfälligen und rückschrittlichen alten Herren zu setzen. Als einziges Mitglied der Militärjunta wurde der als Innenminister fungierende Panzerhrigadier Pattakos mit diesem überkonservativen Kreis in Verbindung gebracht. So sah man in den immer heftigeren Auseinandersetzungen zwischen königstreuen und revolutionären Regierungsmitgliedern eine persönliche Rivalität zwischen Pattakos und Papadopoulos, ohne damals schon etwas von der viel komplizierteren Machtverteilung innerhalb der „Junta“ zu wissen.

Als die Widersprüche und halben Maßnahmen der Militärregierung auch nach dem 13. Dezember 1967, der Flucht König Konstantins und dem Sturz seiner Anhänger von Ministerpräsident Kollias über VerteMigungsminister Spandidakis bis zu Generalstabschef Avgeris, anhielten, suchte man diese wieder durch einen persönlichen Zwist, diesmal zwischen Papadopoulos und dem Sicherheitschef Ladas, zu erklären. Das Seltsame an der ganzen Angelegenheit war, auf welche Weise sich Papadopoulos, seit dem 14. Dezember 1967 nicht nur Staatsminister, sondern auch Ministerpräsident und Verteidigungsminister, aber ohne direkte Kommandobefugnis im Heer, seines von Polizei, Gendarmerie und Geheimdienst gestützten angeblichen Widersachers erwehren konnte. Schon damals stellte sich die Frage nach dem starken Mann in Papadopoulos' Rücken, und als dann im Sommer 1968 Artikel 129 der neuen Verfassung die Berufung eines „Führers der gesamten Streitkräfte“ in Aussicht stellte, lag auf der Hand, daß dieser Posten für den eigentlichen Drahtzieher des Militärputsches bestimmt sei.

Anfang August 1968 gab die Absetzung des um die Niederwerfung von Konstantins Gegenrevolution in erster Linie verdienten Generalleutnants Patiiis als Minister für Nordgriechenland ein neues Rätsel auf. An seine Stelle trat der farblose Pioniergeneral Vallis, doch wurde bald bekannt, daß tatsächlicher Herr in der nordgriechdschen Metropole Thessaloniki der an Stelle des monarchistischen Generals Peridis eingesetzte Kommandant der III. Armee, Generalleutnant Tsoumbas, sei. Auch diese Entwicklung versuchten politische Beobachter in Athen mit einer Kontroverse zwischen Patiiis und Papadopoulos zu erklären, doch ließ sich diese Art und Weise der Interpretation aller Ereignisse im Schloß der griechischen Militärregierung nicht ins Unendlliche fortführen.

Scheinbar bestätigt wurde die Zwiistigkeitstheorie allerdings noch einmal von den Ereignissen der letzten Wochen, als Ladas und eine Reihe anderer Obersten ihrer Schlüsselposition enthoben wurden und Papadopoulos über seinen Regierungssprecher sogar die Auflösung des Revolutionsrates bekanntgeben konnte.

Erneut fiel über den kurzen Glanz von Papadopoulos' Alleinherrschaft der Schatten eines mächtigeren Helfers: Er mußte Generalleutnant Angelis die von ihm selbst als Verteidigungsminister gewahrten Befugnisse über die griechischen Land-, Wasser- und Luftstreitkräfte abtreten. Und nannte Papadopoulos in seiner Weihnachtsrede 1969 ein Jahr des sozialen Fortschritts und der Schulpolitik seiner Regierung, so ist ebenso gewiß, daß es ein Jahr der Auseinandersetzung zwischen ihm und Angelis um das letzte Machtwort in Griechenland sein wird.

Volle Klarheit, sowohl in Hinblick auf das Ausmaß der Athener Kursverschärfung wie ihre Hintergründe, gab dann eine Pressekonferenz des Regierungssprechers Stamatopoulos, der jede Amnestie zu den Feiertagen als überflüssig bezeichnete.

Tiefgreifende Folgen dürfte die Ablösung der vielstuftgen Hierarchie des Revolutionsrats durch das poii-tisch-miiitärische Duo Papadopoulos-Angelis für die griechische Innenpolitik haben. Führten die Ereignisse des Dezember 1967 nur zur Abwendung der zahlenmäßig eher schwachen griechischen Monarchisten vom autoritären Regiment der Militärjunta, so hatte jetzt deren Auflösung und die Ersetzung der kollektiven Führungsgruppe der 38 Revolutionsobersten durch die Zweierdiktatur Papadopoulos-Angelis den Abfall jener breiten Rechtskreise zur Folge, die in dem Militärregkne nur die Interimslösung für ein politisches Comeback des von ihnen gestürzten ehemaligen Ministerpräsidenten Karamanlis sahen.

Während sich die griechische Militärdiktatur unter diesen inneren Machtverhältnissen dem dritten Jahr ihres Bestehens nähert, kann es keine Illusionen mehr darüber geben, daß sie nicht — wie das Regime Gürsel in der benachbarten Türkei 1960 bis 1961 — nur Zwischenspiel inmitten der demokratischen Entwicklung Griechenlands sein will. Papadopoulos wie Angelis sind zum Bleiben entschlossen, und ihr Regime hat inzwischen immerhin so klar Züge angenommen, daß es ohne Schwierigkeiten mit den arabisch-nationalen Diktaturen des Nanen Ostens und vor allem mit dem Nasserismus verglichen und sogar in direkten Zusammenbang gebracht werden kann.

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