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Angst vor eigener Courage

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Als Griechenlands Ministerpräsident und De-facto-Allein-herrscher seit fast fünf Jahren, Georgios Papadopoulos, zum neuen Jahr mit Notverordnung 787 den bei seiner Machtergreifung am 21. April 1967 über ganz Hellas verhängten Belagerungszustand endlich auf die Großstädte Athen und Thessaloniki beschränkte, war er sich darüber im klaren, daß diese Liberalisierung in der griechischen Provinz das Wiedererwachen der legalen Oppositionstätigkeit nach sich ziehen würde. Die meisten Politiker der vom Athener Militärregime suspendierten bürgerlichen Parteien verfügen nämlich über eine ausgesprochene „Hausmacht“ auf dem Land.

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Als Griechenlands Ministerpräsident und De-facto-Allein-herrscher seit fast fünf Jahren, Georgios Papadopoulos, zum neuen Jahr mit Notverordnung 787 den bei seiner Machtergreifung am 21. April 1967 über ganz Hellas verhängten Belagerungszustand endlich auf die Großstädte Athen und Thessaloniki beschränkte, war er sich darüber im klaren, daß diese Liberalisierung in der griechischen Provinz das Wiedererwachen der legalen Oppositionstätigkeit nach sich ziehen würde. Die meisten Politiker der vom Athener Militärregime suspendierten bürgerlichen Parteien verfügen nämlich über eine ausgesprochene „Hausmacht“ auf dem Land.

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Diese ist durch die ihnen in den letzten Jahren auferlegte politische Untätigkeit kaum geschmälert worden, da es dabei mehr um verwandtschaftliche Bindungen und wirtschaftliche Abhängigkeit zwischen den Mandataren und ihrer ehemaligen Wählerschaft als um ideologischen Zusammenhalt geht. So verfügen

• der frühere Außenminister Averoff bei seinen Makedorumänen im Pindusgebirge,

• der ehemalige Ministerpräsident Stefanopoulos auf dem Peloponnes,

• Altparlamentspräsident Papaspy-rou in Nauplion und Umgebung,

• der unabhängige Liberale Dia-mantopouios im attischen Wein- und Weizenland, oder

• der derzeit inhaftierte Exindu-strieminister Zigdis auf den Inseln des Dodekanes über einen ungebrochenen Einfluß unter ihrer Wählerklientel. Echte Einbrüche in das patriarchalische politische Leben der griechischen Provinz sind Papadopoulos und seinen Parteigängern in der „Nationalen Revolutionsregierumg“ nur dort gelungen, wo sie sich selbst an die Spitze des Lokalpatriotismus stellen konnten. Kreta als die Heimat der beiden Mittriumviren Pattakos und Makarezos ist damit zum Hauptrückhalt der Offlziers-junta außerhalb der hauptstädtischen Zentralen geworden. Von den ursprünglich auf der Insel vorhandenen starken linksliberalen Gegenpersönlichkeiten haben Mitsotakis das Exil, Vardinoyannis den Frieden mit dem Establishment und der Venizelos-Enkel die innere Emigration gewählt. Die politische Beherrschung Kretas ist für die Militärregierung besonders wichtig, da nur hier die geographischen und andere Voraussetzungen für einen erfolgreichen bewaffneten Widerstand gegen die Diktatur der Streitkräfte bestehen. Im restlichen Griechenland glaubt Papadoupoulos dem Wiedererwachen kritischer Kräfte von Rechts bis zur Mitte getrost entgegensehen zu dürfen. In der Athener Staatskanzlei, wo an Papadopoulos' Seite wieder der tolerantere Staatssekretär Stamatopoulos den

Ton angibt, scheint man sogar Wert auf diesen Exodus der vorrevolutionären Politiker aus ihren Winterverstecken als Beweis für den „aufgeklärten Absolutismus“ des Regimes zu legen. Hofft man doch mit den meisten von ihnen zu einem Modus vivendi zu kommen, wie das bereits mit einer Gruppe sogenannter „Sozialdemokraten“ unter Führung von Tsirimokos geschehen ist, die sich öffentlich für die Beteiligung an einer „Nationalen Sammelbewegung“ unter Führung von Exponenten des Regimes ausgesprochen haben.

Wenn daher offizielle Athener

Stellen äußerst scharf auf die Berichte der in englischer Sprache erscheinenden Tageszeitung „Athens News“ über eine Oppositionsfront von Konservativen und Liberalen in der griechischen Provinz reagiert haben, so richtete sich diese Angst vor der eigenen Courage zur Liberalisierung in erster Linie gegen den Kolporteur der Nachricht, den Verleger Horn. Dieser war bereits Ende 1971 wegen einer kritischen Schlagzeile abgeurteilt worden, konnte sich aber mit Hilfe der hinter seiner Zeitung stehenden amerikanischen Botschaft über diese wie über alle vorherigen Schikanen hinwegsetzen. Athener Regierungskreise vermuten daher wohl nicht zu Unrecht, daß diese von den „Athens News“ verkündete „Opposition aus der Provinz“ sich gewisser Sympathien der Amerikaner erfreut. Diese drängen ja schon lange auf eine Öffnung des monochromen Regimes zu den prowestlich orientierten Oppositionskräften.

Die zweite Befürchtung der Athener Machthaber betrifft hingegen eine stillschweigende Beteiligung der griechischen Linken an der angekündigten „Provinzfront“ von Konservativen und Liberalen. Im Widerstand sind diese beiden Gruppen nach Einschwenken der Zwittergruppe der griechischen Sozialdemokraten auf den Regimekurs schon längst mit Linkssozialisten und Kommunisten zusammengegangen. Namhafte bürgerliche Oppositionsführer haben der verbotenen KPG ihre Wiederzulassung nach dem erhofften Sturz der Offiziere garantiert, und speziell in Volos und Kavalla, wo sich die stärksten marxistischen Gruppen erhalten haben, dürfte die „Provinzopposi-tion“ klassenkämpferische Züge annehmen.

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