Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Enttauschte Sendboten
Heimkehrer verschiedenster Art haben im frühen Jänner 1973 an die Pforten und auf die Nachsicht des autoritären Athener Regimes gepocht: Künstler, die seit 1967 im Ausland gegen die „Junta“ gesungen, gedichtet oder gepinselt hatten; Oppositionspolitiker, die des Mansardendaseins in London, Paris oder Wien müde geworden waren und jetzt um eine Rente aus der Staatsschatulle von Papadopoulos ein-kommen; Zeitungsherausgeber, deren Rechnung auf radikale Emigra-tionsblättchen nicht aufgegangen ist und die jetzt von der wieder größeren Pressefreiheit in Hellas profitieren wollen.
Die beiden wichtigsten potentiellen Heimkehrer, der in Rom exilierte König Konstantin und der seit 1963 in Frankreich in selbst gewählter Verbannung lebende Altministerpräsident Karamanlis, sind zwar noch nicht in Athen eingetroffen, doch wird ihre angeblich bald bevorstehende Rückkehr im Blätterwald der griechischen Hauptstadt mit einem geschäftigen Rauschen vorausgesagt. Im nach wie vor existierenden griechischen Widerstand sind hingegen Heimkehrer ganz anderer Art untergetaucht: Sendboten der hellenischen Auslands-KP, die als ziemlich einzige den harten Kurs gegen das seit 1967 an der Macht befindliche Militärregime aufrecht erhält.
Zu dem Abbröckeln der in den ersten Jahren äußerst aktiven griechischen Opposition im Ausland hat sowohl die fortschreitende Liberalisierung in Griechenland selbst wie die immer distanziertere Haltung von Regierungen und öffentlichkeit in den Gastländern der „hellenischen Demokraten“ beigetragen. Groß ist in Emigrantenkreisen vor allem die Enttäuschung über die mitteleuropäischen Sozialdemokraten, die als Oppositionsparteien oder als kleinere Koalitionspartner der griechischen Linken für den Fall ihrer Wahlsiege das Blaue vom Himmel herunter versprochen hatten. Kaum hatten diese Parteien jedoch die Regierung übernommen, leiteten sie eine bessere und engere Zusammenarbeit mit den „Athener Faschisten“ ein als ihre bürgerlichen Vorgänger.
Musterbeispiel eines solchen vom „demokratischen Europa“ enttäuschten griechischen Emigranten ist der frühere kretische Abgeordnete und Zeitungsverleger Vouloudakis, der völlig überraschend und ohne Paß in die Heimat zurückkehrte. Er war 1969 ohne Reisedokument ins Ausland geflohen, nachdem ihm dieses wie den meisten anderen griechischen Oppositionellen von der Staatspolizei abgenommen worden war. 1969 waren er und andere seiner Parteifreunde von der bürgerlichen „Nationalradikalen Union“ (ERE) von der Aussichtslosigkeit eines innergriechischen Kampfes mit der Diktatur überzeugt gewesen. Hingegen galten Großbritannien, Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland als die gelobten Länder des hellenischen Widerstandes. Nun ist Vouloudakis, eines Besseren belehrt, in seine westkretische Heimatstadt Chania zurückgekehrt.
Immerhin hat seine Partei, die ERE, in letzter Zeit mit einer gewissen Duldung des Militärregimes wieder Boden gewinnen können. Der lange Zeit zu völliger Zurückgezogenheit verurteilte Parteiführer Ka-nellopoulos ist zwar auch immer noch ohne Paß, hat aber wieder ein „Politisches Büro“, das regelmäßig mit kritischen Kommentaren und Gegenvorschlägen zur Regierungspolitik an die Öffentlichkeit tritt. Die der ERE nahestehende Mittagszeitung „Vradini“ (Abendblatt) hat ihre Auflage sogar seit 19,67 von rund 59.000 auf fast 100.000 verkaufte Exemplare steigern können, eine für griechische Verhältnisse beachtliche Zahl. Dennoch scheint der „starke Mann“ der ERE, Karamanlis, nicht eher aus Paris zurückkehren zu wollen, als die Regierung Papadopoulos die Reaktivierung der politischen Parteien zuläßt. Ungefähr dasselbe soll auch König Konstantin, der diesmal auffallend vielen seiner Untertanen persönliche Neujahrsgrüße aus dem Exil schickte, zur Bedingung seiner Heimkehr gemacht haben.
Ein Heimkehrer ganz anderer Art war der dem Zentralkomitee der griechischen KP angehörende Leonidas Tzefronis, dessen Verhaftung zum Jahresende bekanntgegeben wurde. Tzefronis sollte die Kommunisten von Hellas in Eintracht und Ausdauer bei ihrem immer schwierigeren Kampf gegen die Militärdiktatur beraten. Seine Festnahme war der Anlaß zu scharfen Feststellungen des sowjetischen Botschafters in Athen, Klimentij Levickin, der so Frost auf den in Griechenland herrschenden Optimismus für einen Ausgleich mit dem kommunistischen Lager warf. Außerdem galt dieser Vorstoß des Vertreters der Sowjetunion sichtlich der Einflußnahme auf die großen Kommunistenprozesse, die für Ende Jänner in der griechischen Hauptstadt vorbereitet werden.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!